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Das Echo dunkler Tage

Das Echo dunkler Tage

Titel: Das Echo dunkler Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dolores Redondo
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Job, den ich jetzt brauche.«
    »Und mit Freddy?«
    »Schlecht, ganz schlecht«, sagte sie, presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.
    »Wohnst du deshalb bei Tante Engrasi?«
    Ros antwortete nicht.
    »Warum wirfst du ihn nicht raus? Es ist schließlich dein Haus.«
    »Hab ich ja versucht, aber er will nichts davon wissen. Seit ich ausgezogen bin, pendelt er den ganzen Tag zwischen Bett und Sofa, Sofa und Bett, trinkt Bier, spielt mit der Playstation und raucht Joints«, erzählte Ros angewidert.
    »Flora hat ihn ›Weltmeister der Playstation‹ genannt. Woher hat er die Kohle? Du wirst ihm doch nicht …?«
    »Nein, damit ist Schluss. Aber seine Mutter steckt ihm Geld zu, und seine Freunde versorgen ihn mit allem.«
    »Wenn du willst, schaue ich mal bei ihm vorbei. Du weißt ja, was Tante Engrasi immer sagt: Wenn ein Mann gut gegessen und getrunken hat, hält er es lange ohne Arbeit aus«, sagte Amaia grinsend.
    »Da hast du absolut recht, aber lieber nicht. Genau das will ich ja vermeiden. Ich regle das schon selbst, versprochen.«
    »Du willst doch hoffentlich nicht zu ihm zurückgehen?«, fragte Amaia und sah ihrer Schwester in die Augen.
    »Nein, will ich nicht.«
    Amaia hatte ihre Zweifel, aber dann dachte sie an Flora, die niemandem außer sich selbst auch nur das Geringste zutraute. Sie rang sich ein Lächeln ab.
    »Freut mich, Ros«, sagte sie und versuchte so überzeugend wie möglich zu klingen.
    »Diesen Teil meines Lebens habe ich hinter mir, aber das wollen Flora und Freddy nicht begreifen. Flora kann nicht verstehen, dass ich in meinem Alter noch mal den Job wechsle. Dabei bin ich erst fünfunddreißig und habe keinerlei Lust, den Rest meines Lebens unter ihrer Knute zu stehen und mir jeden Tag dieselben Vorwürfe anzuhören, dieselben Boshaftigkeiten. Flora ist die reinste Giftspritze. Und Freddy … Den trifft wahrscheinlich keine Schuld. Ich dachte, er wäre die Antwort auf alle meine Fragen, die Zauberformel, mit der ich mein Leben von Grund auf ändern könnte. Der ewige Rebell, nicht kleinzukriegen, und vor allem ganz anders als Mutter und Flora. Außerdem hatte er diese besondere Gabe, unser Schwesterherz auf die Palme zu treiben.« Sie grinste.
    »Stimmt, Freddy weiß wirklich, wie man Flora zur Weißglut bringt. Allein das macht ihn schon sympathisch«, meinte Amaia.
    »Leider wurde mir eines Tages klar, wie Freddy wirklich ist. Sein rebellisches Wesen, seine Auflehnung gegen alle Normen sind nur Fassade. Dahinter verbirgt sich ein Feigling und Gutmensch, der wie Che Guevara gegen die bürgerliche Gesellschaft wettert und gleichzeitig seiner Mutter und mir das Geld aus der Tasche zieht, damit er sich mit Marihuana zudröhnen kann. Und in einem gebe ich Flora recht: Freddy ist der Weltmeister der Playstation. Wenn er dafür Geld kriegen würde, wäre er einer der reichsten Männer des Landes.«
    Amaia sah Ros voller Zuneigung an.
    »Irgendwann habe ich die Entscheidung getroffen, meinen eigenen Weg zu gehen. Ich wusste, dass ich nicht so weiterleben wollte, nicht jedes Wochenende in Xantis Kneipe rumhängen und Bier trinken. Und dann war da noch das Thema Kinder. Als ich beschlossen habe, mein Leben zu ändern, wuchs der Wunsch nach einem Kind, wurde so stark, als hinge mein Leben davon ab. Ich bin kein verantwortungsloser Mensch, wirklich nicht, und der Gedanke, mein Kind mit einem Haschisch rauchenden Feigling großzuziehen, war alles andere als verlockend. Aber ich habe trotzdem die Pille abgesetzt und auf das Schicksal vertraut.« Ihr Gesicht verdüsterte sich. »Aber es hat nicht geklappt. Nicht mal das ist mir gegeben«, flüsterte sie. »Mit jedem Monat, in dem ich nicht schwanger wurde, wuchs meine Verzweiflung. Freddy meinte, es sei besser so, uns gehe es doch gut. Ich habe nichts gesagt, aber als er in dieser Nacht neben mir lag und schnarchte, schrie eine Stimme in mir: Nein, nein, nein, mir geht’s nicht gut. Und am nächsten Tag schrie diese Stimme immer noch: beim Anziehen, auf dem Weg zur Backstube, beim Entgegennehmen der Bestellungen, beim Überprüfen der Sendungen, bei Floras ewigem Gemeckere. Als ich am Feierabend die Schürze in meinen Spind hängte, wusste ich, dass ich nicht wiederkommen würde. Und als abends Freddy versuchte, das nächste Level von Resident Evil zu erreichen, während ich in der Küche stand und die Suppe heiß machte, wusste ich auch, dass mein Leben mit ihm zu Ende war. Und ich bin gegangen, ohne Geschrei und ohne Tränen.«
    »Für

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