Das Echo
ebenso schroff. »Du brauchtest ja nur von der sogenannten Geisteskrankheit auf unserer Seite anzufangen, und prompt haben die Mädchen die Flucht ergriffen. Wahrscheinlich erklärt das auch, warum Julia und Clara keine Kinder wollten.«
Terry lachte. »Das kann nicht stimmen, Mike. Ich mein’, okay, ich wohn’ erst seit zwei Tagen bei dir, aber das merkt doch ein Blinder, daß du kein Irrer bist.«
»Wer hat dich nach deiner Meinung gefragt?«
Terry hockte auf dem Boden und streichelte eine hochbetagte, zerfledderte Katze, die es schon so lange gab, daß keiner mehr wußte, wie alt sie war. Sie schnurrte laut unter Terrys Händen, was, wie Penelope sagte, ungewöhnlich war, da sie mit zunehmendem Alter Fremden gegenüber immer reizbarer geworden war.
»Keiner, aber ihr braucht jemanden, der euch mal die Meinung sagt«, behauptete Terry. »Ich meine, hört euch doch nur mal zu! Nichts als Streit. Habt ihr eigentlich nicht irgendwann mal die Nase voll davon? Wär’ ja vielleicht noch ganz vernünftig, wenn’s zu irgendwas führen würde, aber das tut’s ja nicht, oder? Ich persönlich denk’ mir, daß Mrs. D. einen Haufen Zeug zu dir gesagt hat, das sie nicht hätte sagen sollen, ich mein’, daß du deinen Vater umgebracht hast und so, aber du mußt zugeben, daß sie mit dem, was sie über deine Frauen sagt, gar nicht so unrecht hat. Ich mein’, die können echt nicht besonders toll gewesen sein, sonst hättest du dich doch nicht scheiden lassen. Verstehst du, was ich meine?«
Der Inhalt von Barrys Taschen und der Umschlag, den er bei sich gehabt hatte, wurden in einem Vernehmungsraum auf dem Tisch vor ihm ausgebreitet, und Sergeant Harrison und Sergeant Forbes starrten perplex auf die Gegenstände hinunter. Da waren die Visitenkarten von den Prostituierten und ein benutztes Kondom, dem man auch ohne Laboruntersuchung deutlich ansah, wozu es gebraucht worden war. Da waren ein Dutzend Portraitaufnahmen verschiedener Männer, einige normal belichtet, einige unterbelichtet, ein Taschenbuch mit dem Titel Ungelöste Kriminalfälle des zwanzigsten Jahrhunderts und ein zusammengefalteter Zeitungsausschnitt. Da waren eine durchweichte Fotografie von Amanda Powell, jetzt diskret in Zellophan verpackt, um das Zeugnis von Barrys Schande zu erhalten, eine lederne Brieftasche mit Geld und Kreditkarten und ein eselsohriger Schnappschuß von Barry mit einem Kleinkind in den Armen.
Das Tonband lief seit fünfzehn Minuten, und Barry hatte nicht ein Wort gesprochen. Tränen der Scham rannen ihm aus den Augen, und seine schwammigen Wangen wabbelten mitleiderregend.
»Los, Barry, Herrgott noch mal, reden Sie mit uns«, sagte Harrison. »Was hatten Sie bei Mrs. Powell zu suchen? Warum ausgerechnet sie?« Er tippte auf die Fotografien. »Wer sind diese Männer? Wer ist das Kind, das Sie da im Arm halten? Sind Sie vielleicht scharf auf Kinder? Werden wir überall an den Wänden Bilder von Kindern finden, wenn wir das Haus Ihrer Mutter durchsuchen? Haben Sie deshalb solche Angst?«
Mit einem tiefen Seufzer glitt Barry ohnmächtig von seinem Stuhl.
Der Polizeiarzt begleitete Harrison in den Korridor hinaus. »Er schwebt in Todesängsten. Deshalb ist er ohnmächtig geworden. Er hat Ihnen gesagt, daß er vierunddreißig Jahre alt ist, aber ich schlage vor, Sie ziehen da mindestens zwanzig Jahre ab, dann haben Sie sein emotionales Alter. Ich würde Ihnen raten, einen Elternteil oder einen Freund von ihm zu bitten, bei der Vernehmung bei ihm zu bleiben, sonst wird er gleich wieder zusammenbrechen. Behandeln Sie ihn so, als hätten Sie es mit einem Jugendlichen zu tun, dann werden Sie vielleicht etwas erreichen.«
»Seine Mutter geht nicht ans Telefon, und nach dem, was ich in dem Haus gesehen habe, diesen Altar, den sie ihren Großeltern errichtet hat, ist sie sowieso komplett verrückt.«
»Das würde seine verspätete Entwicklung erklären.«
»Wie steht’s mit einem Anwalt?«
Der Arzt zuckte die Achseln. »Wenn Sie auf meine Meinung Wert legen - ich würde sagen, daß ein Anwalt ihn noch mehr verängstigen wird. Versuchen Sie, einen Freund zu finden - er muß doch Freunde haben -, sonst stehen Sie am Ende mit einem falschen Geständnis da. Er ist der Typ, Greg, das können Sie mir glauben, und erwarten Sie nicht, daß ich später vor Gericht was andres sage.«
Das Telefon in der Küche läutete. Ein paar Sekunden später kam Siobhan an die Wohnzimmertür. »Es ist für Sie, Michael. Ein Sergeant Harrison möchte
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