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Das Echo

Titel: Das Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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tut mir leid.«
    Siobhan schien weniger enttäuscht über seine Antwort, als er erwartet hatte. »Schauen wir doch mal, ob Ihre Mutter Sie sehen möchte, Michael. Entweder sie will oder sie will nicht, und es hat wenig Sinn, es aufzuschieben.«
    Zynisch, wie er war (und ganz zutreffend), vermutete er, daß Siobhans Gelassenheit auf ihrem Wissen beruhte, daß Penelope Deacon genau das Gegenteil von dem tun würde, was ihr Sohn vorschlug.

15
    Amanda Powells betagte Nachbarin, die gerade das Mittagessen vorbereitete, warf einen Blick aus dem Fenster und sah beunruhigt, daß sich ein Mann am Schloß zu Mrs. Powells Garagentor zu schaffen machte. Sie wußte, daß das Haus leer war, weil Amanda ihr am Morgen gesagt hatte, daß sie die Weihnachtsfeiertage bei ihrer Mutter in Kent verbringen würde. Kurz danach war sie weggefahren. Die Frau lief eilig ins Wohnzimmer, um ihren Mann zu alarmieren, aber als die beiden zum Küchenfenster zurückkamen, war der Fremde schon weg.
    Der Ehemann machte sich auf - einigermaßen widerstrebend, muß man sagen -, um zu eruieren, wohin der mutmaßliche Einbrecher sich verzogen hatte. Er rüttelte am Garagentor, aber es war fest verschlossen. Ebenso die Haustür. Er blickte die stille Straße hinauf und hinunter und kehrte mit einem Achselzucken zu seiner Frau zurück.
    »Weißt du genau, daß du es dir nicht eingebildet hast, Schatz?«
    »Natürlich habe ich es mir nicht eingebildet«, entgegnete sie unwirsch. »Ich bin nicht senil. Er wird sich hinten durch die Gärten davongemacht haben und versucht’s wahrscheinlich jetzt bei einem anderen Haus. Dieses Wochenende stehen bestimmt einige leer. Du mußt die Polizei anrufen.«
    »Die werden aber eine Beschreibung wollen.«
    Sie hielt beim Kartoffelschälen inne und blickte in dem Bemühen, sich die Szene ins Gedächtnis zu rufen, zum Fenster hinaus. »Er war ungefähr eins achtzig groß, schlank, und er hatte einen dunklen Mantel an.«
    Brummelnd, es sei doch nicht nett, die Polizei am Heiligen Abend zu belästigen, und schließlich habe doch hier jedes Haus eine Alarmanlage, ging der Mann zum Telefon. Doch als er auflegte, nachdem die Polizei ihm zugesagt hatte, einen Wagen vorbeizuschicken, fiel ihm ein, daß er hier schon einmal einen Mann gesehen hatte, auf den diese Beschreibung paßte.
    Als er vor Mrs. Powells Garage gestanden und zugesehen hatte, wie die Polizeibeamten einen toten Penner auf eine Trage legten …
    Er beschloß, seiner Frau lieber nichts davon zu sagen.
    »Ich weiß nicht, warum wir uns die Mühe machen«, bemerkte sie, als er wieder in die Küche kam. »Sie tut schließlich auch nichts für uns.«
    »Nein«, stimmte er zu, den Blick aus dem Fenster gerichtet. »Aber sie mag nun mal die Menschen nicht besonders, oder?«
     
    Das Bild, das Deacon erwartete, als er mit Siobhan an die offene Wohnzimmertür trat, hatte etwas Surreales. Weit davon entfernt, an ihren Sessel gefesselt zu sein, stand seine Mutter aufrecht, auf Terrys Arm gestützt, vor einem Gemälde an der Wand, das sie mit zusammengekniffenen Augen betrachtete. »Ich kann es jetzt natürlich kaum noch erkennen«, sagte sie, »aber wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, ist es ein George Chambers junior. Können Sie die Signatur in der linken unteren Ecke entziffern?«
    Terry tat so, als läse er die krakelige Unterschrift des Malers. »Sie haben ja ein super Gedächtnis, Mrs. D. Da steht wirklich George Chambers junior. Hat er immer das Meer gemalt?«
    »Oh, ich denke, er hat sicher auch andere Dinge gemalt, aber er und sein Vater waren im letzten Jahrhundert berühmt für ihre Seestücke. Ich habe dieses Bild hier vor Jahren für zwanzig Pfund in einer heruntergekommenen Galerie irgendwo in Süd-London gekauft und eine Woche später zu Sotheby’s gebracht, wo es auf Hunderte geschätzt wurde. Weiß der Himmel, was es heute wert ist.« Sie schob ihn weiter. »Sehen Sie, dort im Alkoven ist ein Porträt von mir. Groß und sehr kühn mit starken Farben. Lesen Sie die Unterschrift«, sagte sie triumphierend. »Er war ein großartiger Maler. Es war aufregend, von ihm gemalt zu werden.«
    Terry starrte verzweifelt auf die Leinwand.
    »John Bratby«, sagte Deacon von der Tür her.
    Terry lächelte ihm dankbar zu. »Hey, gut, Mike. Es ist tatsächlich ein John Bratby. Aber ehrlich gesagt, Mrs. D., finden Sie wirklich, daß es Ihnen gerecht wird? Sie sind eine schöne Frau, und das Bild ist zwar kühn, aber nicht schön. Verstehen Sie, was ich meine?«
    »Ja,

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