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Das Echo

Titel: Das Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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heiratete, der ihrer beider Leben ruiniert hatte. Wie hätte eine zutiefst verunsicherte Jugendliche fähig sein sollen, zwischen Liebe und Lust zu unterscheiden, nachdem die Frau, die sie liebte, sie verstoßen hatte, und der Mann, der sie verführt hatte, ihr weiterhin nachstellte?«
    Aber in dieser Geschichte gab es keine saubere Lösung. Peter war nicht Veritys langverlorener Sohn, und sie kann auch niemals geglaubt haben, daß er es wäre. Es ist die Aufgabe der zuständigen Behörden, vor der Genehmigung einer Heiratserlaubnis eben derartige Dinge zu prüfen, und zum Zeitpunkt der Eheschließung zwischen Peter und Verity ergaben sich keinerlei Fragen oder Zweifel.
    Rein verstandesgemäß muß Verity gewußt haben, daß an ihrer Beziehung nichts Verwerfliches war, trotz der Intensität ihrer Liebe zu Peter. Aber hat sie vielleicht, allein in der schrecklichen Stille des leeren Hauses nach Peters Abreise nach Amerika, begonnen, über ihre unnatürliche Liebe zum Mörder ihres ersten Mannes nachzugrübeln, und hat sie vielleicht begonnen, die Rechtmäßigkeit der Adoptionsunterlagen anzuzweifeln?
    In ihrem Abschiedsbrief spricht sie von Treuebrüchen, und man ist versucht zu vermuten, daß sie an ihre Mutter und ihren Sohn, den sie zur Adoption freigegeben hat, dachte, als sie das schrieb. Aber vielleicht ist eine wahrscheinlichere Erklärung, daß sie schließlich erkannte, daß sie an allen, selbst an Peter, einen Treuebruch begangen hatte, weil sie nicht fähig war, Liebe ganz natürlich zu äußern. Denn es ist unwahrscheinlich, daß Peter gezwungen gewesen wäre, sich Anthony preiszugeben, hätte Verity ihn weniger und Anthony mehr geliebt.
    Lawrence Greenhill meint, daß die Tragödie der Verity Fenton darin liegt, daß sie Liebe nicht von Begierde unterscheiden konnte. Sie konnte ihrer Liebe zu Anthony keinen angemessenen Ausdruck verleihen, weil Begierde nach einem Sohn etwas Verbotenes ist. Sie verschlang daher ihren Ersatzsohn, Peter, mit der ganzen verzehrenden Leidenschaft ihres Wesens. Aber als sie allein und abgeschieden in dem Haus am Cadogan Square saß und über die Konsequenzen seines Mordgeständnisses nachdachte, erkannte sie da, daß ihre Vergötterung des Mannes, der den Vater ihrer Kinder getötet hatte, ein Treuebruch allzu ungeheuerlichen Ausmaßes war?
    Und beschloß sie, ihrem Leben ein Ende zu machen, weil ihr bewußt wurde, daß es keine Rolle spielte, daß sie bis ans Ende ihres Lebens wünschen würde, diesem Mann zu gehören - sei er Vatermörder oder Sohn?
    (Auszüge aus Ödipus von Michael Deacon,
erscheint im November 1996)

Epilog
    Die Wohnung war leer, als Deacon zurückkam, und er war froh darüber. Er war nicht in Stimmung für Terrys marihuanageschwängerte Albernheiten, nachdem er innerhalb von drei Tagen bereits seinen dritten Krach mit dem neuen Chefredakteur des Street gehabt hatte.
    Wer hätte gedacht, daß er je JPs Abgang bedauern würde?
    »Andere Zeiten, andere Sitten, Mike«, hatte JP gesagt, als er ging. »Einschläfernd ist das Wort, das ich für die neue Verlagsleitung gebrauchen würde. Sie werden bestimmt nicht mehr hinter Prostituierten herjagen, nur noch hinter Worthülsen geschulter Politiker.«
    »Damit kann ich leben«, entgegnete Deacon.
    »Seien Sie da mal nicht zu sicher«, hatte JP prophetisch gewarnt. »Sie haben vielleicht meine Ansichten darüber, was eine gute Story ausmacht, nicht geteilt, aber Sie hatten immer die Freiheit, sie so zu schreiben, wie Sie es für richtig hielten.« Er nahm Deacons Text über Peter Fenton zur Hand, der auf dem Schreibtisch lag, und legte die zwei letzten Seiten, eine Erörterung darüber, warum Billy Blake in Amanda Powells Garage gestorben war, auf die Seite. »Ich kann Ihnen garantieren, daß man diese letzten siebenhundert Wörter nicht in Druck gehen lassen wird. Ich weiß, Sie wollen darüber schreiben, warum und wie der arme Kerl gestorben ist, aber den neuen Herrschaften da oben wird es nicht einfallen, auch nur das kleinste Risiko einer Klage einzugehen, schon gar nicht von einer Untersuchungsgefangenen. Der Text ist viel zu kontrovers. Er verstößt beinahe mit Sicherheit gegen das Verbot der Vorverurteilung durch die Medien und wird Amandas Recht auf einen fairen Prozeß wegen des Mordes an de Vriess beeinträchtigen. Ganz zu schweigen von dem Ärger, den Sie mit de Vriess’ Familie bekommen werden, wenn Sie ihn als vielfachen Vergewaltiger hinstellen.«
    »Hätten Sie es riskiert?«
    »Natürlich. Ich

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