Das Echo
verlegen sein Bierglas hin und her. »Also, ehrlich gesagt, ich hab’ von euren Familienstreitigkeiten so ziemlich genug, Michael. In einer Ehe mit einer Deacon lebt man wie auf einem Kriegsschauplatz.«
Deacon lachte leise. »Sei froh, daß du nicht dabei warst, als mein Vater noch am Leben war. Da war es noch schlimmer.« Er klopfte seine Zigarette am Aschenbecher ab. »Es ist besser, du rückst raus damit. Ich werde nämlich nicht den kleinsten Schritt auf unsere Mutter zugehen, solange ich nicht weiß, warum Emma das so gern hätte.«
Wieder schien Hugh sich seine Antwort genau zu überlegen. »Ach was, zum Teufel damit«, sagte er abrupt. »Dein Vater hatte ein neues Testament gemacht. Emma hat es gefunden oder, genauer gesagt, die zerrissenen Überreste, als sie die Sachen eurer Mutter durchgesehen hat, während die im Krankenhaus war. Sie hatte uns gebeten, ihre Rechnungen zu zahlen und uns um alles zu kümmern, solange sie weg war. Ich vermute, sie hatte vergessen, daß das Testament noch da war, obwohl ich nicht verstehe, warum sie es nicht gleich verbrannt oder weggeworfen hat.« Er lachte dumpf. »Wir haben es wieder zusammengesetzt. Die ersten beiden Vermächtnisse hat er aus Pflichtgefühl gemacht. Er hat Penelope das Häuschen in Cornwall hinterlassen und dazu Wertpapiere, die ihr ein Einkommen von zehntausend Pfund im Jahr gesichert hätten. Emma hat er einen einmaligen Betrag von zwanzigtausend Pfund vermacht. Das dritte Vermächtnis hat er aus Liebe gemacht. Er hat dir das Haus mit den Ländereien, die noch da sind, hinterlassen, weil - ich zitiere - ›Michael der einzige in der Familie ist, den es kümmert, ob ich lebe oder sterbe‹. Er hat das Testament zwei Wochen, bevor er sich erschoß, gemacht, und wir vermuten, daß deine Mutter es zerrissen hat, weil sie nach dem alten Testament die Alleinerbin war.«
Deacon rauchte ein paar Sekunden lang gedankenvoll. »Hat er David und Harriet Price zu seinen Testamentsvollstreckern eingesetzt?«
»Ja.«
»Nun, das entlastet wenigstens den armen, alten David.« Er dachte an die wütende Auseinandersetzung zurück, die seine Mutter mit ihren Nachbarn ausgetragen hatte, als David Price zu bemerken gewagt hatte, daß Francis Deacon davon gesprochen habe, ein neues Testament zu machen und ihn - David - als Testamentsvollstrecker einzusetzen. »Zeig es mir doch«, hatte sie gesagt. »Sag mir, was darin steht.« Und David hatte zugeben müssen, daß er das Testament nie gesehen, sondern lediglich zugestimmt hatte, das Amt des Testamentvollstreckers zu übernehmen, sollte Francis sein früheres Testament widerrufen wollen. »Wer hat es aufgesetzt?«
»Dein Vater selbst, glauben wir. Es ist seine Schrift.«
»Ist es gültig?«
»Ein Freund von uns, der Anwalt ist, sagt, es sei ordnungsgemäß formuliert und bezeugt. Die Zeugen waren zwei Bibliothekarinnen von der öffentlichen Bibliothek in Bedford. Unser Freund meint, im Hinblick darauf, daß er sich zwei Wochen später erschossen hat, könnte höchstens angezweifelt werden, ob euer Vater bei vollem Verstand war, als er das Testament abfaßte.« Er zuckte die Achseln. »Aber Emma behauptet, er sei vor seinem Selbstmord monatelang völlig in Ordnung und erst am Tag vor seinem Tod wirklich depressiv gewesen.«
Deacon warf einen Blick auf Terry, der neugierig die Augen aufriß. »Das ist eine lange Geschichte«, sagte er, »die du jetzt nicht unbedingt hören mußt.«
»Sie könnten sie ja ein bißchen abkürzen, oder? Ich mein’, Sie wissen doch auch alles über mich, da ist es nur fair, daß ich’n bißchen was über Sie erfahr’.«
Es lag Deacon auf der Zunge zu erwidern, daß er nicht einmal Terrys wahren Namen wußte, aber er verkniff es sich. »Mein Vater war manisch-depressiv. Er sollte eigentlich regelmäßig Medikamente nehmen, aber er tat das nicht sehr zuverlässig, und wir anderen haben darunter gelitten.« Er sah, daß Terry ihn nicht verstand. »Manisch-depressive Menschen sind starken Stimmungsschwankungen ausgesetzt. In der manischen Phase kann man auf Wolken schweben - es ist ein bißchen so, als wäre man high - und in der depressiven ist man dauernd nah am Selbstmord.« Er zog an seiner Zigarette, ehe er den Stummel an seinem Absatz ausdrückte. »Am ersten Weihnachtsfeiertag 1976 hat mein Vater, der in der depressiven Phase war, um vier Uhr morgens seine Flinte in den Mund gesteckt und abgedrückt.« Er lächelte dünn. »Es ging sehr schnell, war sehr laut und sehr schrecklich.
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