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Das Echo

Titel: Das Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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bist«, sagte sie mit ihrer gequetschten Stimme, die irgendwo aus den Fettschichten ihres Bauchs zu kommen schien und sich mühsam aufwärts quälte, um schließlich aus ihrem Schlabbermund zu quellen. Die Türklinke klapperte. »Warum hast du abgeschlossen?« Die Stimme senkte sich zu einem drohenden Flüstern. »Wenn du wieder an dir rumspielst, Barry, merk’ ich das genau.«
    Er antwortete nicht, starrte nur zur Tür, wobei er sich vorstellte, wie er mit seinen Händen ihren Hals umschloß und zudrückte. Er überlegte sich, wie leicht es wäre, sie umzubringen und ihre Leiche irgendwo zu verstecken - im Salon vielleicht, wo sie monatelang liegen könnte, ohne von Besuch gestört zu werden. Warum sollte ein Mensch, der so unschön und so ungeliebt war, leben dürfen? Und wer würde sie vermissen?
    Nicht ihr Sohn ...
    Barry tastete nach seiner Brille und rückte seine Welt wieder in klares Licht. Beunruhigt merkte er, daß seine Hände wieder zitterten.
     
    »Warum bist du nie festgenommen worden?« fragte Deacon, als Terry gerade eine Levi’s begutachtete und feststellte, daß es »ein Kinderspiel wäre, sie zu klauen«. (Deacon war schon aufgefallen, daß er immer sofort die Fernsehkameras ausfindig machte und im toten Winkel von ihnen blieb.)
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Man hätte dich ins Heim zurückgeschickt.«
    Der Junge schüttelte den Kopf. »Nur wenn ich ihnen die Wahrheit gesagt hätte, und das hätt’ ich garantiert nicht getan. Klar bin ich festgenommen worden, aber ich war immer mit Billy zusammen, wenn’s passiert ist, und da hat er alles auf sich genommen. Er hat gemeint, wenn ich wie ein Erwachsener in den Knast käm’, würd’ ich’s mit den Schwulen zu tun kriegen, und er hat gewußt, daß sie mich zu dem Grapscher schicken würden, wenn ich meinen richtigen Namen sagen würde. Darum hat er dann immer die Strafe für mich abgesessen.« Sein Blick schweifte ruhelos durch das Geschäft. »Wir wollten doch’ne Jacke kaufen. Die sind da drüben.« Zielstrebig machte er sich auf den Weg.
    Deacon folgte. Waren alle Halbwüchsigen so rücksichtslos egozentrisch? Er hatte ein unerfreuliches Bild von diesem schrecklichen Kind, das sich wie ein Blutsauger an seine Beschützer hängte, um sie bis aufs Letzte auszulutschen, und er erkannte, daß Lawrence’ Rat, immer einen Schritt voraus zu bleiben, etwa so wirksam war, wie gegen den Wind zu pinkeln. Jeder halbwegs anständige Mensch mit einem Funken moralischen Pflichtgefühls war Wachs in Terrys Händen.
    »Die gefällt mir«, erklärte Terry und nahm eine dicke karierte Jacke von einer Stange. Er schob seine Arme hinein. »Na, was meinen Sie?«
    »Sie ist dir ungefähr zwanzigmal zu groß.«
    »Ich wachs’ noch.«
    »Hör mal, ich lauf’ doch nicht mit einem wandelnden Sperrballon durch die Gegend.«
    »Von Mode haben Sie keinen blassen Schimmer, oder?« Er probierte die nächstkleinere Nummer an. »Mit so engem Zeug seid ihr Typen in den Siebzigern rumgelaufen, Hosen mit Schlag und Perlenketten und lange Haare und so. Billy hat gesagt, damals wär’s schön gewesen, jung zu sein, aber wenn Sie mich fragen, habt ihr alle wie’n Haufen Schwuchteln ausgesehen.«
    Deacon sagte bissig: »Na, die Angst brauchst du nicht zu haben. Du siehst aus wie ein Mitglied der National Front.«
    Terry lachte zufrieden. »Damit hab’ ich kein Problem.«
     
    Barry blieb an der Tür stehen und betrachtete den Hinterkopf seiner Mutter, die, die Füße auf einem Hocker, in einem Sessel vor dem Fernseher saß. Dünnes, borstiges Haar sträubte sich auf ihrer rosigen Kopfhaut, und dumpfes Schnarchen drang aus ihrem Mund. Das ganze unaufgeräumte Zimmer stank nach ihren Fürzen, und wieder überwältigte ihn dieses Gefühl, vom Schicksal mit grausamer Ungerechtigkeit behandelt worden zu sein. Es hatte ihm den Vater genommen und ihn den Launen eines - unwillkürlich krümmte er die Finger - Schweins ausgeliefert.
     
    Terry entdeckte ein Geschäft mit Weihnachtsschmuck und Postern. Er suchte sich eine Reproduktion von Picassos Frau im Hemd aus und drängte Deacon, sie zu kaufen.
    »Warum gerade das Bild?« fragte Deacon.
    »Sie ist schön.«
    Es war zweifellos ein schönes Bild, aber ob man die Frau selbst schön fand oder nicht, war Geschmackssache. Das Gemälde markierte den Übergang von der blauen zur rosa Periode Picassos; die kühle, karge Melancholie der früheren Periode wurde belebt von den Rosa- und Ockertönen der späteren.
    »Ich persönlich mag es

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