Das Echo
Deshalb möchte ich am liebsten vergessen, daß es Weihnachten überhaupt gibt.«
Terry war beeindruckt. »Scheiße!« sagte er.
»Und deshalb ist es auch so schwer, mit Emma und Michael zu leben«, fügte Hugh trocken hinzu. »Sie haben beide Todesangst, sie könnten die Krankheit geerbt haben. Deshalb weigern sie sich, über irgend etwas fröhlich zu sein, und betrachten eine leichte Verstimmung bereits als den Beginn einer klinischen Depression.«
»Ach, dann steckt’s in den Genen? Billy hat’s mit den Genen gehabt, wissen Sie. Er hat immer gesagt, daß keiner dem entgehen kann, was seine Eltern ihm mitgegeben haben.«
»Nein, es steckt nicht in den Genen«, widersprach Hugh ärgerlich. »Es gibt Anzeichen, die für eine erbliche Veranlagung sprechen, aber es müßten zahllose andere Faktoren mitwirken, um bei Emma und Michael die gleiche Krankheit auszulösen.«
Deacon lachte. »Das heißt, daß ich bis jetzt noch kein Irrer bin«, sagte er zu Terry. »Hugh ist Beamter, drum nimmt er’s mit Definitionen sehr genau.«
Terry runzelte die Stirn. »Okay, aber warum behauptet Ihre Mutter, daß Sie Ihren Vater umgebracht haben, wenn er sich selbst die Kugel gegeben hat?«
Deacon trank schweigend von seinem Bier.
»Weil sie ein Miststück ist«, sagte Hugh.
Deacon mischte sich ein. »Sie hat es gesagt, weil es wahr ist. Am Heiligen Abend nachts um elf Uhr hat er zu mir gesagt, daß er sterben wolle, und ich habe gesagt, dann solle er es doch tun. Fünf Stunden später war er tot. Meine Mutter ist der Meinung, ich hätte es ihm ausreden sollen.«
»Und warum haben Sie’s nicht getan?«
»Weil er mich gebeten hat, es nicht zu tun.«
»Ja, aber -« Terry sah Deacon verwirrt an. »War’s denn nicht schlimm für Sie, daß er sterben wollte? Ich mein’, man fühlt sich doch irgendwie verantwortlich.«
Deacon sah ihm einen Moment lang in die Augen, dann blickte er in sein Glas hinunter. »Das ist ein guter Ausdruck - am Boden. Genauso habe ich mich gefühlt, als ich den Schuß hörte. Ja, natürlich war es schlimm für mich, aber ich hatte ihn vorher immer wieder davon abgehalten, es zu tun, und er sagte, diesmal würde er es so oder so tun, aber es würde ihm besser dabei gehen, wenn er meinen Segen hätte. Da habe ich ihm eben meinen Segen gegeben.« Er schüttelte den Kopf. »Ich hoffte, er würde es doch nicht tun, aber ich wollte auch, daß er wußte, daß ich ihn dafür nicht verurteilen würde.«
»Ja, aber-«, sagte Terry wieder. Er war über die Geschichte stärker erschüttert, als Deacon erwartet hätte, und dieser fragte sich, ob es da Parallelen zu seiner Freundschaft mit Billy gab. Hatte Terry gelogen, als er behauptet hatte, Billy hätte nie einen Selbstmordversuch unternommen? Oder vielleicht hatte er wie Deacon das Interesse verloren und einem Selbstmord durch Gleichgültigkeit Vorschub geleistet.
»Aber was?« fragte er.
»Warum haben Sie Ihrer Mutter nichts gesagt und ihr’ne Chance gegeben, ihn daran zu hindern?«
Deacon sah auf seine Uhr. »Ich schlage vor, wir heben diese Frage für später auf. Wir müssen noch was zu essen einkaufen, und ich habe noch nicht geklärt, was ich mit Hughs Nase tun werde.« Er zündete sich eine neue Zigarette an und betrachtete seinen Schwager einen Moment lang durch die Rauchschwaden. »Warum hat Emma dieses zerrissene Testament nicht einfach weggeworfen, als sie es fand?« Er lächelte zynisch über Hughs Gesicht. »Laß mich raten. Sie hatte keine Ahnung, daß er ihr nur zwanzigtausend vermacht hatte. Das hat sie erst gesehen, als sie die Fetzen wieder zusammengesetzt hatte, und da hattet ihr, du und die Mädchen, es auch schon mitbekommen.«
»Sie war neugierig. Sie hätte es auf jeden Fall mit nach Hause gebracht. Aber ja, sie hat gehofft - und wir hofften beide -, er hätte ihr genug hinterlassen, um die Schulden bei eurer Mutter zu tilgen. So wie die Dinge im Moment liegen, hat Penelope Geld genommen, das von Rechts wegen dir gehört, also besteht unsere Schuld in Wirklichkeit dir gegenüber. Und ich schwör’s dir, Michael, wir haben nicht mal um das Geld gebeten. Deine Mutter hat unentwegt davon geredet, daß sie was für die einzigen Enkelkinder tun wolle, die sie je haben würde, und dann hab’ ich eines Tages erwähnt, daß wir uns wegen Antonias schlechter Noten Sorgen machen, und schon war’s passiert. Penelope hat einen Ausbildungsfonds eingerichtet, und Antonia und Jessica landeten innerhalb von zwei Monaten in einem
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