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Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45

Titel: Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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zurückkommen und zackige Marschlieder singen. Dann kam ein Hoffnungsstrahl in Form einer telefonischen Nachricht vom Tag mit dem Befehl, Sey ss-Inquart festzunehmen, den verrufenen Gauleiter (Provinz-Gouverneur) von Holland, und ihn im gleichen Flugzeug mit zurückzubringen.
    Kurz danach fuhren zwei Stabsfahrzeuge (die einzigen Mercedes Benz, die nach Major Buchs Aussage in Deutschland verblieben waren) außerhalb des Haupteingangs vor, und wir wurden eingeladen, mit ihnen zum Mittagessen zu fahren. Major O ’Brian und Chester Wilmot nahmen im hinteren Wagen Platz, während ich in britischer Isoliertheit im führenden Wagen saß. Neben dem Fahrer saß der deutsche Major, und neben mir hinten in dem offenen Mercedes stand steif ein deutscher Posten mit Stahlhelm, der sein Gesicht bis auf den Unterkiefer verbarg und mit einem weißen Stock den Verkehr zur Seite winkte. Dieser weiße Stock mit einer roten Scheibe an einem Ende, verschaffte uns Vorrang. Nazi- Salut und Hackenzusammenschlagen begleiteten unsere Fahrt durch die Stadt. Mit Sirenengeheul fuhren wir in die Einfahrt zur deutschen Offiziersmesse unten am Wasser. Hier sah ich Dänemark zum ersten Mal. Leider war das als letztes von den westlichen Armeen befreite Land auf der anderen Seite des Wassers unerreichbar, aber verlockend nah. Bei der Ankunft an der Offiziersmesse fühlte ich mich sehr einsam, als ich auf den anderen Wagen wartete, in dem sich meine einzigen zwei Verbündeten in diesem feindlichen Deutschland befanden. Als ich über die See sah, dachte ich: Nachdem sie uns erschossen haben, wie ich vermute, werden sie die Leichen hier abladen. Ich wurde aus dieser entmutigenden Träumerei aufgerüttelt, als zu meiner Erleichterung schließlich Major O ’Brian und Chester Wilmot kamen und in die Messe gingen. Ich wartete draußen. Einige Augenblicke später erschien Major O’Brian wieder und sagte: «Kommen Sie herein, Sergeant.» – «Ich kann nicht, Sir», antwortete ich. – «Warum nicht?» – «Ich bin nur Sergeant.» – «Nun gut, aber sie sind alle Nazis.»
    So ging ich hinein und traf auf eine Ansammlung deutscher Offiziere aller Ränge, vom niedrigsten bis zum höchsten. Das Mittagessen in der Offiziersmesse, in der die Kellner zu versteinern schienen, wenn eine Bestellung aufgegeben wurde, bestand aus dicker Graupensuppe, ähnlich schlechter Reisnachspeise, einer Scheibe Schwarzbrot und einem GlasWein. Letzterer war ausgezeichet und erwies sich als der einzige versöhnliche Beitrag dieses Essens. Mit vieldeutiger Bescheidenheit entschuldigte sich mein deutscher Tischnachbar (ein Brigadegeneral): «Sie sehen, wie weit Deutschland heruntergekommen ist, wenn die Befehlshaber solchen Dreck essen müssen. Aber trotzdem, wir haben diesen guten Wein gerettet, um unseren Sieg zu feiern, ha, ha!»
    Diese sarkastische Bemerkung über ihre Niederlage klang von den Lippen eines hochrangigen deutschen Offiziers vor der Veröffentlichung der Kapitulationsbedingungen erstaunlich.
    Als das Essen vorbei war, stürmte eine Ordonnanz in den Raum, und nachdem sie sich durch Hackenzusammenschlagen Aufmerksamkeit verschafft hatte, überbrachte sie atemlos ihre Meldung an den anwesenden höchsten Offizier.
    «Feldmarschall Keitel erwartet die britischen Abgesandten.»
    Wir kletterten wieder in die Stabsfahrzeuge und fuhren zurück zu Feldmarschall Keitels Büro im OKW. Das erwies sich als schlichter Raum, der auf den Haupteingang hinausblickte, von wo wir Keitel zum ersten Mal gesehen hatten. Büroangestellte eilten geschäftig hin und her, was in diesem kleinen Vorzimmer, von dem aus wir zu Keitel vorgelassen wurden, wie ein undiszipliniertes und würdeloses Durcheinander wirkte. Wir mußten uns langsam zwischen einem Aktenschrank und einer zerzausten Schreibkraft hindurchzwängen, deren Haare über ihre Schreibmaschine fielen und die ein Ausbildungsprogramm für die Deutsche Wehrmacht für das Jahr 1947 in die Maschine klapperte. Ausbildung für was? Den nächsten Krieg? Und welche Deutsche Wehrmacht?
    Als die kleine Tür, die in Keitels Zimmer führte, aufschwang, rang ich immer noch im Geiste mit der Tortur, militärische Ausdrucksweise ins Deutsche übersetzen zu müssen. Ich vermutete, er würde die Bedingungen zurückweisen. Das wäre ärgerlich. Alle Arten von peinlichen Möglichkeiten drängten sich auf, aber es war zu spät. Wir traten schon über die Schwelle, und die imposanten Gestalten von Keitel und seinem Stabschef zeichneten sich als

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