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Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45

Titel: Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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gehalten habe. Ferner hatte General Ike General Antonow mitgeteilt, daß die Deutschen die bedingungslose Kapitulation in Reims unterzeichnet hätten (Kopie der Urkunde sei General Antonow gesandt worden), bevor der Antrag der Russen, die Kapitulation in Berlin zu unterzeichnen, eingetroffen sei; er habe aber von den Deutschen ein Dokument unterzeichnen

lassen, womit sie sich verpflichtet hatten, die Kapitulation durch den Chef des Oberkommandos der Wehrmacht und die Befehlshaber des Heeres, der Marine und der Luftwaffe zu ratifizieren.
    Auf den Rat einiger Offiziere seines Stabes hin, die Erfahrungen im Umgang mit den Russen haben, hatte sich Ike entschlossen, nicht nach Berlin zu gehen. Der Krieg war ja tatsächlich durch die Kapitulation von Reims gestern nacht beendet worden, und die von den Russen verlangte formelle Ratifizierung soll nach Ansicht von Ikes Stab nur ein Schauspiel für das russische Volk darstellen. Der Premierminister habe auch dagegen Einwände gemacht, daß Ike hingehe. Ike hätte zwar gerade gerne an dieser Zeremonie teilgenommen, da er Berlin besuchen und die Russen kennenlernen wollte.
    Während ich noch in Ikes Schlafzimmer war, meldete General Morgan telephonisch, daß durch einen Vertrauensbruch von Ed Kennedy, des Korrespondenten der «Associated Press», die Nachricht über die Unterzeichnung der Kapitulation veröffentlicht worden war. Als Kennedys Bericht in Amerika verbreitet wurde, gab ihn das Kriegsinformationsamt durch Kurzwellensender weiter, Radio Luxemburg, von der Propaganda-Sektion des SHAEF betrieben, übernahm automatisch die Sendung, was einer offiziellen Bestätigung des Berichtes gleichkam, da der Kurzwellensender Luxemburg mit Recht als amtlich betrachtet wird. Und die Deutschen, die verzweifelte Bemühungen machten, ihren zerstreuten und zersprengten Formationen den Kapitulationsbefehl zugehen zu lassen, hatten bereits ihrerseits durch den Sender Flensburg ein amtliches Communiqué herausgegeben. Ike war wütend, konnte aber gegen die vorzeitige Bekanntgabe nichts machen, als über mich zu brummen und zu befehlen, daß weiterhin amtlich Stillschweigen gewahrt werde. Wenn die Angelegenheit nur London und Washington anginge, wäre es gar nicht so schlimm gewesen, nur den Russen gegenüber war es peinlich, da sie im allgemeinen so mißtrauisch sind. [...]
    Ikes Hauptsorge war, daß infolge der vorzeitigen Veröffentlichung noch amerikanische, britische und französische Menschenleben geopfert würden.
    Er machte einen müden und abgespannten Eindruck. Die letzten vier Tage hatten ihn mehr mitgenommen als die ganzen letzten elf Monate des Feldzuges. Aber doch ist er glücklich, daß wir jetzt mit den Russen einig sind und die Zeremonie in Berlin anscheinend gut verlaufen wird. Von General Marshall hatte er per Kabel die Weisung erhalten, Gruppen von Offizieren und Mannschaften nach Amerika zu schicken, damit sie den Feierlichkeiten in verschiedenen Städten beiwohnen könnten.
    Ike antwortete, daß er die Gruppen so groß als möglich machen wolle, da er glaube, daß das Publikum die Feiern bald überbekommen werde; er persönlich möchte lieber an keinen Empfängen und Feiern teilnehmen, er würde viel lieber angeln gehen.
    Heute Nachmittag waren die Funker verschiedener Länder reichlich damit beschäftigt, die Funksprüche von Oberst Frank McCarthy, dem Sekretär des Generalstabs im Kriegsdepartement, durchzugeben, der sich bemühte, von Stalin, Churchill und Truman die Genehmigung zur amtlichen Bekanntgabe der Kapitulation zu erhalten.
    Heute abend traf die Mitteilung von den Russen ein, daß die Ratifizierung morgen in Berlin stattfinde. Unsere «C-47»-Spezialtransporter mit Sender werden um 8 Uhr 15 in Reims starten.
    Die Mitteilung der Russen bedeutete für Ike eine große Erleichterung, da er noch immer das Auftauchen irgendwelcher Mißverständnisse befürchtete. Seine Sorge war durch die geschickte Propaganda der Deutschen erhöht worden, die danach trachteten, sich den westlichen Alliierten und nicht den Russen zu ergeben. Es ist Ike klar, daß die Deutschen im Osten mit gleicher Münze von den Russen bezahlt werden für das, was sie in ihrem russischen Feldzug 1941 –42 begangen haben; die Deutschen haben daher, kollektiv und individuell, entsetzliche Angst vor der russischen Rache.
    Ed Kennedys Vertrauensbruch hatte die größten Unannehmlichkeiten hervorgerufen; ich habe gelernt, daß es viel leichter ist, einen Krieg zu beginnen als ihn zu

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