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Das echte Log des Phileas Fogg

Das echte Log des Phileas Fogg

Titel: Das echte Log des Phileas Fogg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip José Farmer
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würde rasch zur Stelle sein, um dem Attackierten beizustehen. Aus unmittelbarer Nähe konnten ihre Kugeln ihn unmöglich verfehlen.
    Der Bugaufbau hatte eine Grundfläche von ungefähr 10 m 2 und war etwa 1,50 m hoch. Vermutlich führte er zur Kajüte des Zweiten Maats, zur Kombüse und entweder ins Zwischendeck oder in die Mannschaftsunterkünfte. Jedenfalls bot sich hier kein gutes oder auch bloß halbwegs vernünftiges Versteck an. Fogg blickte nach oben. Noch konnte er eine der Strickleitern erreichen und erklettern, die aus verknotetem Tauwerk bestanden und von der Reling bis zu den Mastspitzen reichten, seemännisch Wanten genannt; die Wanten verliehen denMasten seitlichen Halt. Über eine Want vermochte er sich den beiden zumindest vorübergehend zu entziehen. Kletterte er dann auf eine Rah, zwang er die beiden, während der Verfolgung beide Hände zu benutzen, wollten sie nahe genug herankommen, um keine Kugeln zu vergeuden. Vielleicht konnte er sich dann mit dem Degen wirksam zur Wehr setzen. Wäre er ein so vorzüglicher Akrobat wie Passepartout, vermochte er vielleicht gar den Großmast zu erklimmen und von dort über die Taue der dreieckigen Mittschiffsegel zum Achtermast zu gelangen; und falls er schnell genug wieder hinab auf Deck kam, während die beiden noch zwischen den Masten turnten, konnte er das Steuer herumreißen und den Kurs des Schiffs ändern. Falls das Schiff heftig genug beidrehte, stürzten die beiden vielleicht über Bord.
    Aber Fogg versuchte nicht, diesen verzweifelten Plan zu verwirklichen.
    Vielmehr öffnete er die Holzschiebetür des Aufbaus und ging hinein. Die Kajüte, in die er trat, lag an der Backbordseite und war anscheinend dem Zweiten Maat zugeteilt gewesen. Darin stand eine riesige Seemannskiste, deren Durchsuchung Fogg bis auf weiteres verschob. Durch eine zweite Schiebetür kam er in die Mannschaftsunterkünfte, die unter dem Vorschiff lagen. Sein geheimes Reisetagebuch enthält keine Hinweise auf die Gefühle, die ihn in diesem Augenblick bewegten, aber man darf wohl annehmen, daß nun selbst des unerschütterlichen Foggs Miene höchste Erleichterung ausdrückte.
    Die Uhr war hier, wie er gehofft hatte; sie baumelte unter der Decke des Quartiers. Er löste sie und hielt sie dicht ans Ohr; die Uhr gab in ununterbrochener Reihenfolge leise Gongtöne von sich, und es war der eridanische Kode. Aouda hatte ihren Distorter auf Empfang geschaltet.
    Wenn er nun den capellanischen Distorter auf Transmission schaltete, vermochte er zu entkommen. Allerdings bedeutete das, daß er den Distorter und Passepartout aufgeben mußte und das Geheimnis des verlassenen Schiffs ungelöst bleiben würde. Was den Distorter betraf, so war eine Transmission unter Mitnahme des Geräts schlichtweg ausgeschlossen, so daß er, wollte er entkommen, keine Wahl besaß, als sich mit dem Verlust abzufinden. Passepartout war wahrscheinlich tot. Undfür Fogg mußte das Überleben wichtiger sein als die Aufklärung vermutlich nebensächlicher Rätsel. Selbst wenn Passepartout lebte, war er auf jeden Fall dem Tode geweiht, falls Fogg an Bord blieb und sich sinnloserweise mit dem Degen zu verteidigen suchte.
    Fogg stand etwa fünf Sekunden lang reglos und überlegte, fünf Sekunden, während welcher, das war sicher, seine Gegner sich näherten.
    Und sechs Sekunden später erschraken die beiden Capellaner, als neun hallende Donnerschläge die Luft zu zerreißen schienen, ihre Trommelfelle in schmerzhafte Schwingungen versetzten und ihre Ohren von neuem betäubten. Beide, so dürfen wir unterstellen, erbleichten und begannen gleichzeitig zu fluchen. Beide, so wissen wir aus Foggs echtem Log, stürzten zur Tür des Aufbaus. Sie zweifelten nicht im mindesten daran, daß der teuflisch schlaue Eridaner den einzigen Ausweg gewählt hatte. Er mußte den Distorter von der Decke geholt, ihn unter einem Tisch angebracht und sich dann zurück auf die General Grant transmittiert haben.
    Wahrscheinlich erhob Nemo sich gegenüber den Vorwurf, daß er das Gerät nicht zuerst in Gewahrsam genommen hatte. Doch er konnte sich mit dem Gedanken trösten, daß er, wäre er so vorgegangen, nun selbst unter Deck festsäße und nicht fort könnte.
    Die Capellaner trafen sich an der bugwärtigen Schiebetür des Vorschiffaufbaus. Der Seemann war schneller gewesen und trat vor Nemo ein. Dann blieb er wie versteinert stehen, denn zu seinem Erstaunen hing der Distorter noch immer unter der Decke. Das war das letzte, was er in seinem Leben

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