Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)
Nebennierenhormon bei der Energiebeschaffung durch das Stresssystem eine zentrale Rolle. Ist allerdings zu viel Kortisol im Blut, treten Nebenwirkungen auf. Sind bei einem Langstreckenläufer die Kortisolwerte im Blut durch die Aktivierung des Stresssystems überhöht, kann es dazu führen, dass Muskelgewebe angegriffen und abgebaut wird, um den Energiehunger des Gehirns zu befriedigen. So wie ein verhungernder Mensch unter Kortisoleinfluss abmagert, so verliert ein Leistungssportler, der einen überaktiven Brain-Pull hat (der ja auch das Speicherhormon Insulin unterdrückt), durch einen überanstrengenden Trainingslauf sogar Muskelmasse. Deshalb empfehlen Trainer auch, dass man als Langstreckenläufer regelmäßig seine Pulsfrequenz (z. B. mit einer Pulsuhr) misst und darauf achtet, dass sie kritische Grenzwerte (die man je nach Alter in Tabellen nachschlagen kann) nicht überschreitet. Denn ein zu hoher Puls ist ein verlässliches Zeichen dafür, dass der Brain-Pull stark belastet, wenn nicht sogar überlastet ist.
Alles eine Frage der Energieversorgung
Dass ein Wettkampf im Kopf entschieden wird, ist eine alte Binsenweisheit aus dem Sportjournalismus. Tatsächlich steckt aber mehr Wahrheit in diesem Satz, als man denken könnte. Ob sich sportlicher Erfolg einstellt, hängt nicht zuletzt vom richtigen Brain-Pull-Training eines Athleten ab. Dabei geht es aber nicht nur um die optimale Energieversorgung der Muskulatur, sondern auch um die des Gehirns.
»Ich habe versucht, die Uhr so weit wie möglich runterlaufen zu lassen, habe dann mit einer Körpertäuschung etwas Raumgewinn erzielt und hatte dadurch den Platz zu werfen«, so beschrieb Dirk Nowitzki den letzten Angriff der Partie. 1,1 Sekunden vor Spielende sicherte er so einen 94 : 92-Sieg über Indianapolis. Der deutsche Star der Dallas Mavericks ist einer der besten Basketballspieler der Welt. Er ist offenbar ein Spieler, der selbst einen Wimpernschlag vor dem Ende eines wichtigen Spiels noch die Übersicht behält und motorisch so sicher ist, dass er hochkonzentriert abschließen kann. Und das alles, obwohl er bereits fast ein komplettes Match auf höchstem Leistungsniveau absolviert hat.
Auch bei Nowitzkis Ausnahmeleistungen geht es um die Frage der Energieversorgung des Gehirns unter gleichzeitiger körperlicher Beanspruchung. Wie bei Lionel Messi kann man davon ausgehen, dass in Dirk Nowitzkis Gehirn der Brain-Pull optimal abgestimmt ist – in seinem Fall auf die Anforderungen eines Basketball-Matches, bei dem nicht nur die Koordination des Bewegungsapparates, sondern auch die Konzentration eine besonders große Rolle spielt. Liegen zwei Basketball-Teams gleichauf, entscheidet sich in den letzten Sekunden, wer gewinnt und wer verliert. Mit anderen Worten: Die Energieversorgung der Spielergehirne kann den Ausschlag über Sieg oder Niederlage geben.
Zurück zum Spiel: Auf der einen Seite lauert Dirk Nowitzki auf die Gelegenheit, den finalen Korb zu werfen. Sehen wir uns an, was in dieser Situation im Gehirn eines gegnerischen Basketballspielers passiert, der sich bereits an seiner Leistungsgrenze befindet: Das somatische (Bewegung), das autonome (Energie) und das neuroendokrine Nervensystem (Energie) haben bisher partnerschaftlich gearbeitet. Sie haben in enger Abstimmung dafür gesorgt, dass sowohl die Muskeln als auch das Gehirn mit Energie versorgt werden. Dabei wird das Energielevel im Gehirn permanent durch ATP -Sensoren kontrolliert, die sich sowohl im somatischen als auch im autonomen und neuroendokrinen Motorsystem befinden. Diese Sensoren messen, wie viele Energiepakete ( ATP ) dem Gehirn zur Verfügung stehen. Beim verteidigenden Spieler droht allerdings bereits seit einigen Minuten die Gefahr, dass die kritische ATP -Menge im Gehirn unterschritten wird. Jetzt hilft nur noch, Energie einzusparen. Bestimmte Körpersysteme, wie zum Beispiel das für die Fortpflanzung, sind bereits seit Beginn des Matches heruntergefahren, die Freisetzung des Sexualhormons Testosteron ist vorübergehend eingestellt worden – alles, um Energie zu sparen. Am Ende dieses Einsparprozesses steht die Blockierung des somatischen Systems, Bewegungsbefehle werden nicht mehr ausgegeben, der kritische Punkt der zentralen Erschöpfung steht unmittelbar bevor. Bevor dieser erreicht wird, kann es auch zu Sparmaßnahmen für bestimmte Gehirnleistungen kommen, wie wir sie im Prinzip von den neuroglukopenischen Symptomen der gestressten Examenskandidaten im
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