Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)
das Kind ist, das den Geburtsvorgang einleitet, ist noch sehr neu, und manche Fragen, die sich daraus ergeben, lassen sich noch nicht genau beantworten. In manchen Fällen leitet ein Fötus die Geburt ein, wenn der Zeitpunkt der Geburtsreife noch nicht erreicht ist. Wahrscheinlich sind Probleme mit seiner Energieversorgung der Grund, warum sich der Fötus zur vorzeitigen Geburt entschließt – nachdem alle drängenden Rufe nach mehr Energie folgenlos geblieben sind.
Die Ursachen für einen derartigen Engpass liegen meist in einer ungenügenden Leistung der Plazenta. Wir wissen noch nicht, wie dieser Entscheidungsprozess genau verläuft. Es scheint aber so zu sein, dass das fetale Gehirn in einer Versorgungskrise, die keine Besserung verspricht, eine frühe Geburt »riskiert« – in der Hoffnung, dass sich die Versorgungssituation außerhalb des mütterlichen Körpers verbessert.
Der kindliche Brain-Pull ist also die Kraft, die das körperliche Band zwischen Mutter und Fötus zerschneidet und das Kind ins Leben entlässt. Damit hat der Brain-Pull eine der ersten wichtigen Aufgaben erfüllt. Er bleibt aber lebenslang bestimmend – bei der Energieversorgung, der Konzentration und der körperlichen Leistungsfähigkeit. Am Anfang unseres Wegs als eigenständiger Mensch ist der gesunde Brain-Pull lernbereit. Wie wir leben, wie wir essen, inwieweit wir Stress ausgesetzt werden – all dies prägt und verändert den menschlichen Brain-Pull im Laufe der Jahre. Ein hochkompetenter Brain-Pull ist eine der Grundlagen dafür, dass Menschen Höchstleistungen vollbringen können. Zum Beispiel im Sport.
Warum sportlicher Erfolg im Kopf entsteht
Wir alle bewegen unseren Körper durch unsere Muskulatur. Uns erscheint das ganz selbstverständlich, und in der Regel denken wir gar nicht darüber nach, was wir mit unseren Händen oder Beinen machen. Alles verläuft scheinbar automatisch, dabei folgt der Vorgang jeder Bewegung einer komplexen Verkettung von neuronalen Befehlen. Es ist ein Zusammenspiel verschiedener Informationen erforderlich, damit das Gehirn Bewegungsverhalten initiieren, in jeder Phase kontrollieren und gegebenenfalls korrigieren kann. Vor allem in diesem Kontrollieren und Korrigieren besteht die eigentliche Meisterleistung des motorischen Gehirns.
Dazu hat der Neuroanatom Larry W. Swanson von der University of Southern California in Los Angeles das Körperwunder des zielgerichteten Verhaltens – das sogenannte Motorsystem – in drei Teile gegliedert: das somatische, das autonome und das neuroendokrine System. Um uns in diesem ganzen Labyrinth aus Nervenbahnen, Hirnarealen und einer Art neuroendokrines Mobilfunknetz besser zurechtzufinden, stellen wir uns vor, das Motorsystem wäre ein Gebäude: zum Beispiel eine prachtvolle Renaissance-Villa, wie sie der großartige Architekt Andrea Palladio im 16. Jahrhundert in Venetien errichten ließ. In diesem Bild wären das somatische, das autonome und das neuroendokrine System die drei Säulen des Portals, auf denen das Gebäude ruht. Diese Säulen sind tragend, so dass sich die Last des gesamten Hauses gleichermaßen auf alle drei verteilt. Jede dieser Säulen ist aber für sich genommen nicht nur für die Stabilität wichtig, sondern erfüllt darüber hinaus eine aktive Aufgabe hinsichtlich des Informationsaustauschs über Nervenbahnen oder durch biochemische Botenstoffe.
Die erste Säule, das somatische System , ist für unsere Bewegungsabläufe und unsere Körperhaltung zuständig. Jede Bewegung, die wir ausführen, hat ein Ziel, erfordert Planung und wird möglichst so durchgeführt, dass das Ziel auch erreicht wird. Das klingt auf den ersten Blick nicht allzu schwierig, stellt aber eine der komplexesten Herausforderungen für das menschliche Nervensystem dar und muss trainiert werden. Dabei kommt uns zugute, dass das somatische System außerordentlich lernfähig ist – hier im somatischen System entscheidet sich, ob jemand zum Fußballstar oder zum Hobby-Kicker wird. Jeder, der eine technisch anspruchsvolle Sportart wie Tennis oder Fußball ausüben möchte, erlebt, wie viel Übung, Geduld und Zeit er investieren muss, um seine motorischen Leistungen zu verbessern. Die vielfältigen Aufgaben, die bei der Ausführung eines Bewegungsablaufes anstehen, werden größtenteils von den Großhirnhälften übernommen. Diese Areale des Gehirns verfügen über besonders viel »Rechenkapazität« und sind äußerst leistungsfähig, verbrauchen aber auch dementsprechend
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