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Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)

Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)

Titel: Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Peters
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außen das der Entlastung und Entspannung. Das erklärt, warum Raucher (oder Menschen, die es sich abgewöhnen wollen) vor allem in Stresssituationen das Bedürfnis nach einer Zigarette verspüren.
    Ein weiteres Symptom der Brain-Pull-Inkompetenz ist die sogenannte Süß-Präferenz. Menschen mit schwachem oder überlastetem Brain-Pull bevorzugen für ihre schnellen Zwischenmahlzeiten süße Speisen und Getränke. So zeigen neueste Befunde, dass Kinder, die unter chronischem Stress leiden, im Laufe der Zeit eine ausgesprochene Vorliebe für süße Nahrungsmittel entwickeln. Das ist kein Zufall, sondern eine Strategie des Gehirns, das genau weiß, dass sich mit stark zuckerhaltiger Nahrung der Energiebedarf im Kopf am schnellsten decken lässt. In extremen Fällen von mangelndem Glukosenachschub zum Gehirn kann es sogar zum Craving kommen – brutalen Heißhungerattacken, die sofort nach Zucker verlangen. Menschen mit Diabetes kennen das, wenn ihr Blut durch eine zu hohe Insulindosierung bei der Injektion einen dramatisch niedrigen Zuckerwert aufweist.
    Fassen wir noch einmal kurz zusammen, was wir bisher über den Body-Pull erfahren haben: Er springt an, wenn die Blutglukose sinkt. Dann werden wir wach, bekommen Hunger, trachten danach, etwas in unseren Mund zu stecken, und das sollte am besten süß sein.
    Wenn wir von Strategien des Body-Pulls und des Beschaffungs-Pulls sprechen, setzt dies eine gewisse Intelligenz des Systems voraus. Tatsächlich handelt es sich um erlerntes Verhalten. Wie gesagt: Das Orexin bringt uns in der Regel dazu, Nahrungsquellen aufzusuchen, die wir bereits kennen. Es kann aber auch die Suche neuer Quellen initiieren. Hier kommt dem Belohnungsaspekt des Systems, in dem Orexin mitwirkt, eine entscheidende Bedeutung zu. Unser Belohnungssystem ist dabei so programmiert, dass es vor allem bei unerwartetem Erfolg anspringt – und nicht, wenn wir schon alles kennen. Das ist vergleichbar mit der Freude, die uns überkommt, wenn wir im Sport nicht sicher sind, ob wir das Spiel oder das Rennen gewinnen. Ein Erfolg trotz einer schwierigen Ausgangslage beschert uns die größte Freude. Interessanterweise ist bei der Nahrungsbeschaffung das euphorische Gefühl besonders groß, wenn wir hungrig eine neue, unerwartet gute Energiequelle entdecken. Das kann ein neues Restaurant sein, ein neuer Gemüseladen um die Ecke oder ein neues Produkt aus dem Supermarktregal. In der Wiederholungsphase schwächt sich das Glücksgefühl merklich ab, weil der Body- und der Beschaffungs-Pull nicht die Nahrungsaufnahme, sondern das erfolgreiche Suchen belohnen. Es ist also weniger das Essen selbst, sondern das Finden der Nahrung, was uns glücklich macht und das uns auffordert, an diesen Ort zurückzukehren.
    Deuten also die Impulse zur Nahrungsaufnahme, die uns tagsüber oder manchmal auch nachts auf Trab halten, ausschließlich auf einen Energiemangel im Blut (bzw. im extrazellulären Hirnwasser) hin? Was ist mit der weitverbreiteten Auffassung, dass geleerte Fettdepots des Körpers wieder aufgefüllt werden wollen und uns zum Essen nötigen? Tatsächlich gibt es mit dem Leptin einen weiteren Spieler um den Jackpot der Nahrungsaufnahme. Leptin ist ein Botenstoff, ein Hormon, das im Blut kreist. Es wird im Fettgewebe gebildet und zeigt an, wie hoch der Energiefüllstand der Fettzellen ist. Hohes Leptin, zum Beispiel nach den Weihnachtsfeiertagen, signalisiert: Die Speicher sind gut gefüllt. Niedriges Leptin, etwa bei einer Fastenkur, teilt das Gegenteil mit. Diese Leptinbotschaften laufen über eine Relaisstation und gehen anschließend im Lateralen Hypothalamus ( LH ) ein. Was aber passiert, wenn das Fettgewebe Energievollversorgung, das Gehirn dagegen Energiebedarf signalisiert? Wenn also ein übergewichtiger Mensch plötzlich einen hohen Energiebedarf im Gehirn hat – bekommt er dann trotzdem Heißhunger?
    Es ist kaum überraschend, wer sich in einer solchen Situation durchsetzt: Wenn das Gehirn Energiebedarf hat, werden die Sättigungssignale des Fettgewebes abgeblockt. Sie dringen überhaupt nicht bis zu den Orexin-Neuronen im lateralen Hypothalamus vor. Bei einem Energiebedarf im Gehirn springt in der Relaisstation, die im unteren Hypothalamus auf dem Weg hin zu den Orexin-Neuronen liegt, gewissermaßen eine Sicherung raus, das egoistische Gehirn zieht die unliebsamen Leptinsignale einfach aus dem Verkehr. Wird dies zu einem Dauerkonflikt, ist Übergewicht unvermeidlich. Denn obwohl das speichernde Fettgewebe

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