Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)
Trier-Social-Stress-Test schon kennen: Die Konzentration lässt nach, Bewegungen sind weniger koordiniert, ebenso die Fähigkeit, kreativ zu denken und zu planen. Ein Spieler, der sich in dieser Phase befindet, neigt schlichtweg zu Fehlern. Fehler, die es einem geistig frischeren Gegner wie Dirk Nowitzki leichter machen, den entscheidenden Korb zu werfen.
Dass mit unserem Brain-Pull etwas nicht stimmt, merken wir immer dann, wenn er an seine Leistungsgrenzen stößt. Ein optimal arbeitendes Pullsystem hingegen macht sich kaum bemerkbar, es schnurrt wie ein laufruhiger Motor auf einer Landstraße. Die Flexibilität und Empfindlichkeit eines gesunden Brain-Pulls und somit die Fähigkeit, sich auf neue Situationen und Anforderungen einzustellen, sind enorm. Ein System, das derartig beansprucht wird, braucht aber auch seine Ruhephasen – zum Beispiel nachts, wenn wir schlafen. Ist der Brain-Pull allerdings gestört oder gar geschädigt, kann es selbst während des Schlafs zu kritischen Situationen kommen.
Nächtliche Hungerattacken
Es ist eine Situation, die wir alle schon einmal erlebt haben. Draußen ist es noch stockdunkel, man hat gut und gerne noch zwei Stunden Zeit, bis der Wecker klingelt, aber mit einem Mal sind wir hellwach, ohne ersichtlichen Grund. Das Fenster im Schlafzimmer ist zu, ein heftiges Geräusch als Ursache dürfte also ausfallen. Während die einen von uns sich in den nächsten Minuten wieder in den Schlaf zählen, werden sich die anderen am Küchentisch wiederfinden, den Pudding vom Vortag löffelnd. Eine nächtliche Hungerattacke hat sie aus dem Schlaf gerissen.
Appetit lässt sich kaum beeinflussen und bei manchen Menschen nie stillen. Sie haben das Gefühl, immer und immer essen zu müssen und dennoch niemals satt zu werden. Andere überfällt Appetit zu den ungewöhnlichsten Zeiten, sogar während des Schlafs. Ungewöhnlich deshalb, weil wir eigentlich nachts keinen Hunger haben sollten. Das liegt daran, dass sich unser Gehirn einen Großteil der Nacht – nämlich während des Tiefschlafs – im Sparmodus befindet. Der Energieverbrauch liegt dann bis zu 40 Prozent unter dem Tageswert. Dennoch kommt es vor, dass Menschen nachts aufstehen und das dringende Bedürfnis haben zu essen. Der Schlüssel zum Verständnis dieses Phänomens heißt Orexin, ein Nervenbotenstoff, der in zahlreichen Neuronen des Lateralen Hypothalamus ( LH ) gebildet wird. Dieser Botenstoff spielt beim Schlaf-Wach-Rhythmus eine große Rolle. Er macht uns hellwach, aufmerksam und aktiv. Orexin ist auch der Stoff, aus dem unser Appetit gemacht ist. Und es hat außerdem Macht über unser Gefühlsleben: Orexin wirkt dabei mit, uns bei der Suche nach Dingen euphorische Gefühle zu verschaffen. Kurz: Dieser faszinierende Botenstoff erfüllt eine dreifache Funktion: Aktivierung des Wachzustandes, Auslösung des Programms für Nahrungsaufnahme beim Body-Pull und Antreiben des Belohnung suchenden Verhaltens. Wenn wir also aufgrund einer vermehrten Orexin-Ausschüttung nachts essen, haben wir die Botenstoffmission unseres Gehirns vollständig erfüllt. Wir sind aufgewacht, haben den Hunger befriedigt, werden dadurch mit einem Ruhe- und Entspannungsgefühl belohnt und können anschließend wahrscheinlich wieder selig einschlummern.
In Squire’s Fundamental Neuroscience , einem Standardwerk der Hirnforschung, befindet sich ein Längsschnitt durch das menschliche Gehirn und das Rückenmark. Die Darstellung wirkt wie die Landkarte einer bizarr gewundenen Flusslandschaft. Nehmen wir einmal an, wir könnten uns anhand der Karte auf eine Reise in das Innere des Gehirns begeben. Unser Weg führt uns von den Nervenbahnen des Rückenmarks auf einer langen gewundenen Straße an der Hypophyse (der Hirnanhangsdrüse) und der Sehnervenkreuzung vorbei in den oberen Hirnstamm. Dann betreten wir den Hypothalamus, eine Region, die sich genau im Zentrum des Gehirns befindet – und zwar in der räumlichen Mitte zwischen vorn und hinten, zwischen links und rechts. Schon diese zentrale Position deutet darauf hin, wie wichtig der Hypothalamus für die Kommunikation zwischen den beiden Hirnhemisphären einerseits sowie zwischen Hirn und Körper andererseits ist. Hier im Hypothalamus arbeiten wichtige Kontrollsysteme: für die Stressreaktion, das Sexualverhalten, die Körpertemperatur, den Schlaf-Wach-Rhythmus – und die Nahrungsaufnahme. Letztere wird im seitlichen, also lateralen Hypothalmus ( LH ) reguliert. Im LH befindet sich gewissermaßen
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