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Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)

Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)

Titel: Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Peters
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Muskel zu verbrennen, sondern dem Gehirn zur Verfügung zu stellen, wird vom oberen Hirnstamm über Bahnen des sympathischen Nervensystems direkt an die Muskelfasern übermittelt. Das Laktat wird also aufgrund der zerebralen »Befehlslage« von den Muskelzellen ans Blut übergeben und der Hirnversorgung zugeführt – das Prinzip des Selfish Brain setzt sich durch.
    Abel Kiruis Gehirn aber nimmt nicht nur, es gibt auch. Denn gleichzeitig erfolgt der Befehl, Fettsäuren aus dem Fettgewebe freizusetzen. Diese hochenergetischen Verbindungen sind für den Gehirnstoffwechsel uninteressant, für die Muskeln allerdings der optimale Brennstoff, um lange, konstante Leistung zu bringen.
    Ob dieser Energietausch zwischen Muskeln und Gehirn für die Dauer des Wettkampfs gelingt, hängt nun entscheidend davon ab, wie gut der Brain-Pull des Athleten eingestellt ist. Nur ein hochkompetenter Brain-Pull kann eine derartige Laufleistung wie bei Kirui überhaupt ermöglichen. Mit Hilfe des Brain-Pulls zieht das Gehirn die in der Glukose enthaltene Energie an sich, bevor sie als Laktat in den Muskeln verbrannt werden kann, und sorgt gleichzeitig dafür, dass das Fettgewebe genügend Fettsäuren an die Muskelzellen abgibt. Um diesen Zustand über 42,2 Kilometer und 2:06,51 Stunden (die Zeit, mit der Kirui den Weltmeistertitel erlief) aufrechtzuerhalten, ist viel Training nötig. Wie wir bereits wissen, ist der Brain-Pull des Gehirns veränderbar, also lernfähig. Bei Läufern wie Abel Kirui besteht der Lernprozess des Gehirns darin, durch immer neue Trainingsläufe die verfügbare Energie für sich und den Körper möglichst so optimal einzuteilen, dass sie für die Marathondistanz reicht – ohne Leistungseinbruch.
    Was passiert, wenn der Brain-Pull schwach ist? Dieses Experiment kann jeder untrainierte Läufer machen, der versucht, einen Marathon zu absolvieren. Ein schwacher Brain-Pull ist nur begrenzt in der Lage, die Laktatverbrennung in den Muskeln zu verhindern. Wenn die Muskeln das Laktat nutzen, fehlt die Energie im Gehirn, und die Leistungsfähigkeit stößt an eine schmerzhafte Grenze. Läufer nennen diesen gefürchteten Effekt »die Wand«, Stoffwechselforscher bezeichnen das Phänomen als »Central Fatigue« – die zentrale Erschöpfung. Droht dem Gehirn eine Energieunterversorgung, fährt es nach und nach den Verbrauch herunter. Es blockiert die Bewegungsbefehle im Motorkortex und vermindert gleichzeitig die Motivation. Das Gehirn signalisiert dem Körper: »Hör auf zu laufen!« Diesem Befehl kann sich ein Sportler trotz aller Willensstärke nicht lange widersetzen. Er läuft sozusagen gegen die innere Wand seiner Leistungsfähigkeit. Alle Strategien, sich zu motivieren, diesen toten Punkt zu überwinden, laufen ins Leere – es sei denn, die Befehlskette im Gehirn wird durchbrochen. Genau dies geschieht zum Beispiel bei der Verabreichung von vielen leistungssteigernden Substanzen. Sie greifen in das Warnsystem des Hirnstoffwechsels ein und lassen zu, dass trotz drohender Energiekrise im Gehirn Laktat in den Muskeln weiter verbrannt wird. In solch einer Situation droht das Gehirn regelrecht leerzulaufen, was dramatische Folgen haben kann. 1967 kam es bei einer Bergetappe der Tour de France zu einem tragischen Todesfall. Der Brite Tom Simpson war vor Entkräftung gestürzt. Herbeieilende Helfer wies Simpson noch an: »Helft mir auf …« Wenige Meter weiter fiel er tot vom Rad. In seinem Blut konnten später Alkohol und leistungssteigernde Substanzen nachgewiesen werden. Die genaue Todesursache blieb im Fall Simpson bis heute ungeklärt. Man weiß aber, dass Hirntod durch einen Schlaganfall eine der gefährlichsten Nebenwirkungen von Doping ist. Wer das körpereigene Warnsystem künstlich außer Kraft setzt, um seine Leistung zu optimieren, spielt mit dem eigenen Leben. Ehe man also zu derartigen Substanzen greift, sollte man versuchen, seinen Brain-Pull auf »legale« Weise zu trainieren. Denn auch so kann man als Sportler oder Amateur seine Leistung halten oder steigern.
    Doch könnte auch allzu intensives Training die Schutzmechanismen des Körpers lahmlegen? Kann es vielleicht auch zu einer Überaktivität des Brain-Pulls kommen? Langstreckenläufer erleben dieses Phänomen manchmal, wenn sie übermäßig trainieren. Ein überaktiver Brain-Pull macht sich dadurch bemerkbar, dass das Herz zu schnell schlägt und das neuroendokrine System zu viel Kortisol freisetzt. Wie wir bereits erfahren haben, spielt das

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