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Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)

Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)

Titel: Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Peters
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Energiebestellung ab. Jetzt wird es paradox: Obwohl die Energie knapper wird, erhöhen die hungrigen Neuronen durch die verstärkte Aktivität ihren Stoffwechsel. Sie suchen und verlangen Nachschub und verbrauchen dabei noch mehr Energie als im normalen Aktivitätszustand.
    Im Labor sind Nervenzellverbände in ihrem Handlungsspielraum eng begrenzt. Im echten Leben würde bei einer derartigen Energieverknappung zunächst der Brain-Pull aktiv werden. Ihn spüren wir an typischen Zeichen wie Herzklopfen, Zittern, Schwitzen, kalten Händen, Aufregung. Wird der Treibstoff im Gehirn noch knapper, werden zusätzlich der Body-Pull und der Such-Pull aktiviert. Wir sind hungrig, wach, suchen und laufen insgesamt auf Hochtouren. In der Tierwelt ist dieses Phänomen als starvation induced hyperactivity (hungerinduzierte Überaktivität) bekannt. Hungernde Tiere entwickeln ein hektisches Aktivitätsverhalten auf der Suche nach Nahrung. Um sich den wichtigen Energienachschub zu beschaffen, setzen sie alles auf eine Karte: suchen, bis sich etwas Essbares findet, selbst wenn die Körperreserven durch die erhöhte Aktivität und Fortbewegung noch schneller aufgezehrt werden. Auch wir Menschen wissen, wie sich starvation induced hyperactivity anfühlt. Schon bei einer ausgelassenen Mahlzeit werden wir nervös und unruhig. Das Gehirn aktiviert den Brain-Pull, der sich im Notfall vom Body- und Such-Pull unterstützten lässt – und diese Befehle kann niemand auf Dauer ignorieren.
    Was steckt hinter dieser geheimnisvollen, quälenden Kraft, die unser Gehirn als seine mächtigste Trumpfkarte einsetzt, wenn die Energie-Homöostase seiner Neuronen bedroht ist? Es ist nichts anderes als das Bestreben unseres Stresssystems, wieder in seine Ruhelage zu kommen. Das Stresssystem lässt es uns unangenehm spüren, wenn unser Gehirn sich so anstrengen und Energie anfordern muss. Man wird schlecht gelaunt, gereizt, angespannt, aggressiv. Diesen Zustand gilt es, positiv zu verändern – egal wie. Essen ist natürlich die sinnvollste und naheliegendste Strategie. Sie folgt einem unserer wichtigsten Bedürfnisse: sich gut zu fühlen.
    Physiologisch betrachtet geht es beim Essen also nicht nur darum, einen Energiemangel im Gehirn und im Körper auszugleichen, sondern auch zu ermöglichen, dass das Stresssystem wieder in seine Ruhelage kommt. Beim Auffinden dieser Ruhelage spielt ein ebenso faszinierender wie vielseitig talentierter Botenstoff die entscheidende Rolle: Kortisol. Bereits im Mutterleib, bei der Entwicklung des fetalen Gehirns und der Einleitung der Geburt, hatte der Botenstoff einen großen Auftritt. Genau genommen handelt es sich bei Kortisol um ein Stresshormon. Als Antwort auf einen Stressor wird es wie Adrenalin aus der Nebenniere ins Blut ausgeschüttet. Im Gegensatz zu Adrenalin oder Noradrenalin erzeugt es aber keine Stresssymptome wie Unruhe oder Herzrasen. Im Gegenteil: Es bremst die durch Adrenalin und Co. ausgelösten Stressreaktionen des Körpers ab. Kortisol ist deshalb der wichtigste Schlüssel, um das Stresssystem zu beruhigen.
    Nehmen wir einmal an, das Stresssystem wäre der Zentralserver eines Rechenzentrums, auf den verschiedene Computerterminals Zugriff haben. Jeder Computer hat einen eigenen Code, der bestimmte Zugriffe erlaubt, andere nicht. Nach einem ähnlichen Nutzerprinzip funktionieren die meisten Hormone des Stresssystems. Kortisol ist dabei aber kein einfacher Nutzer. Kortisol ist ein Administrator mit Zugang zur Betriebssoftware des Servers und der Fähigkeit, diese zu verändern. Der »Server« des Stresssystems befindet sich in zwei benachbarten Regionen des Großhirns: der Amygdala und dem Hippocampus. Diese beiden Areale sind von besonderer Bedeutung für unser Gedächtnis und unser Erinnerungsvermögen. Alles, was wir sehen, hören, erleben und lernen, wird hier verarbeitet und zu Erinnerungen kodiert, um dann in verschiedenen anderen Hirnregionen abgespeichert zu werden.
    Die Amygdala verknüpft dabei vor allem emotionale Erinnerungen, wie den Schock nach einem Unfall, den ersten Kuss, die nicht bestandene Prüfung oder ein tolles Erfolgserlebnis. Der Hippocampus speichert eher nüchterne Informationen wie Orte, Wegbeschreibungen, Namen, neutrale Episoden. Das Kortisol ist in der Lage, nicht nur in jedes Neuron dieser beiden Hirnregionen einzudringen, es betritt sogar das Zellinnerste, den Zellkern selbst. Kortisol bindet an zwei Kortisolrezeptoren, MR ist der empfindliche Rezeptor, GR der

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