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Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)

Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)

Titel: Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Peters
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setzt sich möglicherweise dem Risiko aus, wegen eines ärztlichen Kunstfehlers belangt zu werden. Denn erhöhter Blutzucker greift über Jahre die Gefäße an, kann zu Entzündungen, Thrombosen, zur Erblindung führen.
    Der Frage, was genau mit einem Menschen passiert, dessen Typ-2-Diabetes nicht mit Insulin behandelt wird, ging die amerikanische Forscherin Helen C. Looker nach. Sie untersuchte Indianer vom Stamm der Pima im »Gila River Reservat« im US -Bundesstaat Arizona. Die Bewohner des Reservates erkranken überdurchschnittlich früh und häufig an Typ-2-Diabetes. Weil ihnen keine langfristige soziale Krankheitsfürsorge zugutekommt, bleibt der Diabetes bei den meisten Erkrankten unbehandelt. Bei ihren Untersuchungen stellte Looker Verblüffendes fest: Die Betroffenen nahmen zunächst an Körpergewicht zu und zeigten dann Diabetessymptome. Das entspricht noch dem üblichen Krankheitsverlauf. Sobald aber das Körpergewicht der Indianer seinen Höhepunkt erreicht hatte, wurden sie wieder dünner. Und zwar ohne Insulingabe. Überraschend war auch, dass sie offenbar nicht früher starben, auch wenn sie jahrzehntelang erhöhte Blutzuckerwerte hatten. Aus Lookers Studie lässt sich ein deutlicher Unterschied zwischen einer Insulintherapie und einer Nichtbehandlung ablesen: Ohne Insulin werden die Patienten langfristig dünner – mit Behandlung dicker.
    Helen Lookers Studien werden in der Fachwelt oft als Sonderfall abgetan. Das Hauptargument der Kritiker besteht in der ethnischen Herkunft der Probanden und damit ihrer möglicherweise besonderen genetischen Disposition. Während Lookers Forschungen einen rein beobachtenden Charakter haben, wollte es das US -amerikanische National Institute of Health genauer wissen. Diese wichtigste amerikanische Gesundheitsbehörde hatte bereits 1993 eine großangelegte Studie zu der anderen Form des Diabetes vorgelegt. Diese Typ-1-Studie war schon deshalb etwas Besonderes, weil sie trotz hoher finanzieller Kosten ohne Bezuschussung der Pharmaindustrie durchgeführt wurde. Man wollte das Risiko möglicher Verstrickungen und Einflussnahmen durch Geschäftsinteressen seitens der Medikamentenhersteller von vornherein ausschließen.
    Untersucht wurde der Erfolg einer sogenannten scharfen Einstellung des Blutzuckerwertes bei Patienten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, die herkömmlich versorgt wurde. Das Ergebnis war absolut überzeugend: Je genauer und konsequenter der Blutzucker bei Typ-1-Patienten kontrolliert und reguliert wurde, desto besser waren der Gesundheitszustand und die Prognosen für den Patienten.
    Dann beschloss das National Institute of Health rund 15 Jahre später, das gleiche Studienverfahren auf Menschen mit Typ-2-Diabetes anzuwenden. Mehr als zehntausend freiwillige Probanden nahmen an der sogenannten ACCORD -Studie teil, einer der größten, die in der Medizin je mit diesem hohen Qualitätsstandard durchgeführt wurden. Bei den Probanden wurde der Blutzucker kompromisslos auf Glukosenormwerte von Gesunden fixiert. Dazu verwendeten die Studienärzte verschiedene blutzuckersenkende Medikamente, in den meisten Fällen Insulin. Dann passierte etwas, mit dem die Fachwelt nicht gerechnet hatte. Am 7. Februar 2008 musste die Studie quasi über Nacht abgebrochen werden. Es war zu unerwarteten Todesfällen gekommen. In der Gruppe der Patienten, deren Blutzuckerwert aggressiv-scharf eingestellt worden war, kam es zu einer statistisch auffälligen Häufung von tödlichen Herzinfarkten. Das renommierte amerikanische Wissenschaftsmagazin Science Magazine reagierte prompt eine Woche nach Bekanntgabe: »Todesfälle in Diabetesstudie stellen lang vertretene Blutzuckertheorie in Frage.« Erstaunlicherweise blieb eine breite Diskussion zu diesem provokanten Artikel der Science -Journalistin Jennifer Couzin bisher dennoch aus. Die Diskussion um die Zweifel, welche das Science Magazine hier vorgebracht hat, dass nämlich die landläufigen Vorstellungen zur Entstehung und zur Behandlung des Typ-2-Diabetes grundsätzlich falsch sein könnten, wird bis heute in der behandelnden Medizin ausgeklammert. Warum?
    Ein Erklärungsversuch: Wer die Insulintherapie als Behandlungsform für Menschen mit Typ-2-Diabetes wählt, wird dies damit begründen, dass es diesen Menschen an Insulin fehle. Die Argumente für einen Insulinmangel bedürfen allerdings einer besonderen Darstellung von Studiendaten und geeigneten Begriffsbezeichnungen – denn die Originalmesswerte für Blutinsulin, selbst die

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