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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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mit derselben Sicherheit, mit der es Frauen anziehen mag, die Nachkommen benachteiligen. In jedem Fall ist es wichtig, daß das Handikap nicht an Töchter weitervererbt wird.
    Wenn wir die Handikap-Theorie auf der Ebene der Gene formulieren, so erhalten wir etwa folgendes: Ein Gen, das männliche Individuen dazu bringt, ein Handikap zu entwickeln, zum Beispiel einen langen Schwanz, wird im Genpool zahlreicher, weil die Weibchen Partner mit Handikaps bevorzugen. Die Weibchen entscheiden sich deshalb für Männchen mit Handikaps, weil die Gene, die sie zu dieser Wahl veranlassen, ebenfalls im Genpool zunehmen. Der Grund ist, daß Weibchen mit einer Vorliebe für behinderte Männchen sich automatisch für Partner mit ansonsten guten Genen entscheiden, denn diese Männchen haben trotz ihres Handikaps bis in das Erwachsenenalter überlebt. Die „guten“ Gene werden den Körpern der Kinder einen Vorteil verschaffen; die Kinder werden daher überleben, um die Gene für das Handikap selbst sowie die Gene für das Auswählen gehandikapter Männchen weiterzugeben. Wenn man voraussetzt, daß die Gene für das Handikap ihren Einfluß nur in Söhnen ausüben und die Gene für die sexuelle Vorliebe für Handikapträger nur bei Töchtern wirken, so könnte die Theorie gerade zum Funktionieren zu bringen sein. Doch solange sie lediglich in Worten ausgedrückt ist, können wir nicht sicher sein, ob sie funktioniert oder nicht.
    Wir bekommen eine bessere Vorstellung davon, wie praktikabel eine derartige Theorie ist, wenn sie in Gestalt eines mathematischen Modells umformuliert ist. Bisher sind die Mathematiker unter den Genetikern, die das Handikap-Prinzip in ein brauchbares Modell umzusetzen versucht haben, erfolglos geblieben.
    Das kann entweder daran liegen, daß es kein brauchbares Prinzip ist, oder daran, daß sie nicht klug genug sind. Einer von ihnen ist Maynard Smith, und ich habe den Verdacht, daß eher die erstere Möglichkeit zutrifft.
    Wenn ein Männchen seine Überlegenheit über andere Männchen auf eine Weise demonstrieren kann, die nicht verlangt, daß es sich selbst behindert, dann könnte es – daran würde niemand zweifeln – damit den Erfolg seiner Gene vergrößern. So erobern und behaupten See-Elefanten ihre Harems nicht, weil sie für die Weibchen ästhetisch attraktiv sind, sondern durch das einfache Mittel, daß sie jeden Bullen durchprügeln, der in den Harem einzudringen droht.
    Gewöhnlich gewinnen die Haremsbesitzer diese Kämpfe mit Möchtegern-Usurpatoren, und sei es auch nur aus dem naheliegenden Grund, daß sie eben gerade deswegen Haremsbesitzer sind. Eindringlinge gewinnen nicht oft den Kampf, denn wenn sie zu gewinnen fähig wären, so hätten sie dies bereits früher getan! Jedes Weibchen, das sich nur mit einem Haremsbesitzer paart, verbindet seine Gene daher mit denen eines Bullen, der stark genug ist, eine Herausforderung nach der anderen seitens der großen Überzahl verzweifelter Junggesellen zurückzuschlagen. Wenn es Glück hat, werden seine Söhne die Fähigkeiten ihres Vaters erben, einen Harem zu erringen.
    In der Praxis hat eine See-Elefantenkuh allerdings kaum eine andere Wahl, der Haremsbesitzer verprügelt sie   nämlich ebenfalls, wenn sie wegzulaufen versucht. Das Prinzip bleibt jedoch bestehen: Weibchen, die sich vorzugsweise mit Männchen paaren, welche im Kampf gewinnen, erweisen ihren Genen damit einen Gefallen. Wie wir gesehen haben, gibt es Arten, deren Weibchen es vorziehen, sich mit Männchen zu paaren, die Reviere besitzen oder einen hohen Rang in der Dominanzhierarchie einnehmen.
    Fassen wir dieses Kapitel soweit zusammen: Die verschiedenen Fortpflanzungssysteme, die wir bei den Tieren finden – Monogamie, Promiskuität, Harems und so weiter –, lassen sich im Sinne eines Interessenkonflikts zwischen dem männlichen und dem weiblichen Geschlecht verstehen. Die Individuen beider Geschlechter „wollen“ ihren Fortpflanzungserfolg maximieren. Auf Grund eines fundamentalen Unterschieds zwischen Spermien und Eizellen hinsichtlich deren Größe und Anzahl ist es generell wahrscheinlich, daß das männliche Geschlecht eher zu Promiskuität und Vernachlässigung der Vaterpflichten neigt. Dem weiblichen Geschlecht stehen zwei Gegenzüge zur Verfügung, die ich die Strategie des „Supermannes“ und die Strategie der „trauten Häuslichkeit“ genannt habe. Zu welchem dieser Schachzüge die Weibchen neigen, wird durch die ökologischen Bedingungen bestimmt, unter denen

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