Das egoistische Gen
eine Art lebt; das gleiche gilt für die Reaktion der Männchen auf die weibliche Strategie. In der Realität finden sich alle Zwischenstufen zwischen „Supermann“ und „trauter Häuslichkeit“, und es gibt, wie wir gesehen haben, auch Fälle, in denen der Vater sogar mehr Brutpflege betreibt als die Mutter. Dieses Buch befaßt sich nicht mit den Details bei einzelnen Tierarten, daher will ich nicht die Frage erörtern, wodurch eine Art eher für dieses oder für jenes Fortpflanzungssystem prädisponiert werden könnte. Statt dessen möchte ich mich mit verbreiteten generellen Unterschieden zwischen den Geschlechtern beschäftigen und zeigen, wie diese sich interpretieren lassen. Ich werde daher den Schwerpunkt nicht auf Arten legen, bei denen die Unterschiede zwischen den Geschlechtern gering sind; das sind im allgemeinen diejenigen, deren Weibchen sich für die Strategie der Häuslichkeit entschieden haben.
Erstens sind es gemeinhin die Männchen, die sexuell attraktive, grelle Farben bevorzugen, während die Weibchen in der Regel unauffälliger gefärbt sind. Die Angehörigen beider Geschlechter wollen vermeiden, von Räubern verspeist zu werden, und so wird bei beiden Geschlechtern ein gewisser evolutionärer Druck zugunsten gedeckter Farben wirksam sein. Leuchtende Farben locken die Räuber nicht weniger an, als sie Geschlechtspartner anziehen. Gene für auffallende Farben enden also mit größerer Wahrscheinlichkeit im Magen eines Räubers als Gene für ein unscheinbares Äußeres. Andererseits werden sich Gene für unauffällige Farben vielleicht mit geringerer Wahrscheinlichkeit in der nächsten Generation wiederfinden als Gene für leuchtende Farben, da farblose Individuen Schwierigkeiten haben, einen Gatten anzulocken. Es bestehen also zwei gegensätzliche Selektionsdrücke: Der durch die Räuber begünstigt die Beseitigung der Gene für leuchtende Farben aus dem Genpool, der durch die Geschlechtspartner richtet sich gegen die Gene für unauffällige Farben.
Wie in so vielen anderen Fällen auch lassen sich effiziente Überlebensmaschinen als das Ergebnis eines Kompromisses zwischen gegensätzlichen Selektionsdrücken ansehen. An dieser Stelle interessiert uns, daß der für Männchen optimale Kompromiß sich von dem für Weibchen optimalen Kompromiß zu unterscheiden scheint. Das steht natürlich völlig im Einklang mit unserer Auffassung von den Männchen als Spielern mit hohem Einsatz und hohem Gewinn. Da auf jede von einem Weibchen produzierte Eizelle viele Millionen von einem Männchen erzeugte Spermien entfallen, sind die Spermien in der Population den Eizellen zahlenmäßig weit überlegen.
Daher ist die Chance einer Eizelle, mit einem Spermium zu verschmelzen, sehr viel größer als die einer Samenzelle, sich mit einer Eizelle zu vereinigen. Eier sind eine relativ wertvolle Ressource, deshalb braucht ein Weibchen sexuell nicht so attraktiv zu sein wie ein Männchen, um sicherzugehen, daß seine Eier befruchtet werden. Ein Männchen ist durchaus in der Lage, alle Kinder zu zeugen, die in einer großen Weibchenpopulation geboren werden. Selbst wenn ein Männchen nicht alt wird, weil sein auffälliger Schwanz Räuber anlockt oder sich im Gebüsch verfängt, kann es eine sehr große Zahl von Kindern gezeugt haben, bevor es stirbt. Ein wenig attraktives oder unscheinbares Männchen lebt vielleicht sogar so lange wie ein Weibchen, aber es hat wenige Nachkommen, und seine Gene werden nicht vererbt. Was nützt es einem Männchen, wenn es die ganze Welt gewinnt, seine unsterblichen Gene aber einbüßt?
Ein anderer weitverbreiteter Unterschied zwischen den Geschlechtern ist der, daß Weibchen mehr Aufhebens darum machen, mit wem sie sich paaren. Einer der Gründe, warum die Angehörigen beider Geschlechter bei der Wahl des Partners heikel sein sollten, ist die Notwendigkeit, die Paarung mit einem Angehörigen einer anderen Art zu vermeiden.
Solche Kreuzungen sind aus verschiedenen Gründen unvorteilhaft. Mitunter, zum Beispiel wenn ein Mensch mit einem Schaf kopuliert, führt die Kopulation nicht zur Bildung eines Embryos, und so ist nicht viel verloren. Wenn sich jedoch enger miteinander verwandte Arten wie Pferde und Esel kreuzen, so kann der Preis, zumindest für den weiblichen Teil, erheblich sein. Wahrscheinlich wird ein Mauleselembryo entstehen, und er wird den Leib der Stute elf Monate lang mit Beschlag belegen. Er verbraucht eine große Menge ihres Elternaufwands, nicht nur in Gestalt der
Weitere Kostenlose Bücher