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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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Harems beruhen. Diese erstaunliche Vielfalt läßt vermuten, daß die Lebensweise des Menschen in einem hohen Maße von der Kultur und weniger von den Genen bestimmt wird. Dennoch ist es möglich, daß bei Männern generell eine Tendenz zur Promiskuität besteht und bei Frauen eine Tendenz zur Monogamie, wie wir es aus evolutionären Gründen voraussagen würden. Welche der beiden Tendenzen in einer Gesellschaft zum Tragen kommt, hängt von den jeweiligen kulturellen Gegebenheiten ab, gerade so wie es bei verschiedenen Tierarten von ökologischen Einzelheiten abhängig ist.
    Ein Merkmal unserer eigenen Gesellschaft, das entschieden ungewöhnlich zu sein scheint, betrifft die sexuellen Lockmittel. Wie wir gesehen haben, ist aus evolutionären Gründen mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten, daß es bei Arten, deren Geschlechter sich im Aussehen unterscheiden, die Männchen sein sollten, die sich sexuell anpreisen, und die Weibchen, die farblos sind. Der moderne westliche Mensch stellt in dieser Hinsicht zweifellos eine Ausnahme dar. Natürlich gibt es auch Männer, die sich auffallend, und Frauen, die sich langweilig kleiden, aber im Durchschnitt kann kein Zweifel daran bestehen, daß in unserer Gesellschaft das Gegenstück des Pfauenschwanzes von der Frau und nicht vom Mann zur Schau getragen wird. Frauen bemalen sich das Gesicht und kleben sich falsche Wimpern an. Von Sonderfällen, etwa Schauspielern, abgesehen, tun Männer das nicht. Frauen scheinen an ihrer persönlichen Erscheinung interessiert zu sein, und sie werden darin von ihren Magazinen und Zeitschriften bestärkt.
    Männermagazine beschäftigen sich weniger mit der sexuellen Attraktivität ihrer Leser, und ein Mann, der seiner Kleidung und Erscheinung ungewöhnlich viel Bedeutung beimißt, erregt leicht Verdacht, und zwar bei Männern wie bei Frauen. Wenn in einer Unterhaltung von einer Frau die Rede ist, so ist es ziemlich wahrscheinlich, daß ihre sexuelle Anziehungskraft oder deren Fehlen an hervorragender Stelle erwähnt werden wird. Dies gilt unabhängig davon, ob der Sprecher ein Mann oder eine Frau ist. Wenn ein Mann beschrieben wird, so ist es sehr viel wahrscheinlicher, daß die benutzten Adjektive nichts mit Sex zu tun haben.
    Angesichts dieser Tatsachen müßte ein Biologe argwöhnen, daß er es mit einer Gesellschaft zu tun hat, in der das weibliche Geschlecht um das männliche konkurriert und nicht umgekehrt. Im Falle der Paradiesvögel kamen wir zu dem Schluß, daß die Weibchen unscheinbar sind, weil sie nicht um Männchen zu konkurrieren brauchen. Die Männchen andererseits sind farbenprächtig und auffallend, weil die Weibchen sehr begehrt sind und es sich leisten können, wählerisch zu sein. Dies hat wiederum den Grund, daß Eier eine seltenere Ressource darstellen als Spermien. Was ist mit dem modernen westlichen Menschen geschehen? Ist der Mann wirklich das umworbene Geschlecht geworden, das Geschlecht, das gefragt ist, das Geschlecht, das es sich leisten kann, wählerisch zu sein? Wenn ja, warum?

10. Kratz mir meinen Rücken, dann reite ich auf deinem!
    Wir haben nun Betrachtungen über elterliche, sexuelle und aggressive Wechselbeziehungen zwischen Überlebensmaschinen angestellt, die derselben Art angehören. Es gibt aber auch auffällige tierische Interaktionen, die sich offensichtlich keiner dieser Kategorien zuordnen lassen. Dazu gehört das im Tierreich weitverbreitete Zusammenleben in Gruppen. Vögel, Insekten und Fische bilden Schwärme, Wale Schulen, in der Ebene lebende Säugetiere leben in Herden oder jagen in Rudeln. Diese Aggregationen bestehen gewöhnlich nur aus den Angehörigen einer einzigen Art, aber es gibt Ausnahmen.
    Zebras bilden häufig mit Gnus zusammen eine Herde, und zuweilen sieht man Vogelschwärme aus mehreren Arten.
    Die Vorteile, die ein egoistisches Individuum vermutlich dem Leben in einer Gruppe abgewinnen kann, sind sehr unterschiedlicher Art. Ich habe nicht vor, den Katalog hier im einzelnen aufzulisten, sondern will lediglich ein paar Vermutungen erwähnen. Dabei möchte ich auf die restlichen Beispiele anscheinend uneigennützigen Verhaltens zurückkommen, die ich im ersten Kapitel genannt habe und zu erklären versprach.
    Dies wird uns zu einer Betrachtung über die staatenbildenden Insekten führen, ohne die keine Darstellung tierischer Uneigennützigkeit vollständig wäre. Schließlich werde ich in diesem ziemlich abwechslungsreichen Kapitel noch auf den wichtigen Gedanken des wechselseitigen

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