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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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sieht so aus, als forderten die Gazellen absichtlich die Aufmerksamkeit des Räubers heraus, fast als wollten sie ihn reizen. Diese Beobachtung hat zu einer herrlich kühnen Theorie geführt, die in ihren Grundzügen auf N. Smythe zurückgeht, deren Ausarbeitung bis zum logischen Schluß aber unverwechselbar die Handschrift von A. Zahavi trägt.
    Zahavis Theorie läßt sich folgendermaßen darstellen. Sie weicht von der üblichen Vorstellung entscheidend dadurch ab, daß ihr zufolge das „Prellen“ – weit davon entfernt, ein Signal für die anderen Gazellen zu sein – sich in Wirklichkeit an den Räuber richtet. Zwar wird es von den anderen Gazellen zur Kenntnis genommen und beeinflußt ihr Verhalten, doch das ist nebensächlich, denn selektiert wurde es hauptsächlich als ein Signal für den Räuber. In menschliche Sprache übersetzt, lautet es ungefähr: „Sieh, wie hoch ich springen kann! Ich bin offensichtlich eine so kräftige und gesunde Gazelle, daß du mich nicht fangen kannst; du tätest sehr viel klüger daran, wenn du meinen Nachbarn zu fangen versuchtest, der nicht so hoch springt!“ Weniger anthropomorph ausgedrückt: Gene für hohes und auffälliges Springen werden von den Räubern wahrscheinlich nicht aufgefressen, weil diese sich eher Beute aussuchen, die leicht zu erlegen ist. Insbesondere sind viele fleischfressende Säugetiere dafür bekannt, daß sie sich alte und kranke Opfer aussuchen. Ein Individuum, das hoch springt, signalisiert auf übertriebene Art und Weise die Tatsache, daß es weder alt noch krank ist. Nach dieser Theorie ist die Zurschaustellung weit davon entfernt, altruistisch zu sein. Wenn überhaupt, dann ist sie egoistisch, denn ihre Absicht ist, den Räuber davon zu überzeugen, daß er jemand anderes jagen soll. In gewisser Weise spielt sich zwischen den möglichen Beutetieren ein Wettkampf darum ab, wer am höchsten springen kann, und der Räuber entscheidet, wer der Verlierer ist.
    Das andere Beispiel, auf das ich zurückkommen wollte, ist der Fall der Kamikaze-Bienen, die Honigdiebe stechen, dabei aber fast mit Sicherheit Selbstmord begehen. Die Honigbiene ist nur eine Art der staatenbildenden Insekten. Weitere Beispiele sind Wespen, Ameisen und Termiten oder „weiße Ameisen“. Ich möchte die staatenbildenden Insekten im allgemeinen erörtern, nicht nur die selbstmörderischen Bienen. Die Großtaten der sozialen Insekten sind legendär, vor allem ihre erstaunlichen Leistungen der Zusammenarbeit und anscheinenden Selbstlosigkeit. Die selbstmörderischen Stechmissionen sind typisch für ihre Wundertaten der Selbstverleugnung. Bei den Honigameisen gibt es eine Arbeiterkaste mit grotesk angeschwollenen, mit Honig vollgestopften Hinterleibern, deren einzige Lebensaufgabe darin besteht, wie aufgedunsene Glühbirnen bewegungslos von der Decke herabzuhängen und sich von den anderen Arbeiterinnen als Nahrungsspeicher (sogenannte Honigtöpfe) benutzen zu lassen. In der menschlichen Bedeutung des Wortes leben sie als Individuen gar nicht; ihre Individualität ist offenbar dem Wohlergehen der Gemeinschaft geopfert worden. Eine Gesellschaft von Ameisen, Bienen oder Termiten erzielt eine Art Individualität auf einer höheren Ebene. Die Nahrung wird in einem solchen Ausmaß untereinander geteilt, daß man von einem gemeinschaftlichen Magen sprechen könnte. Informationen werden mit Hilfe chemischer Signale und des berühmten „Tanzes“ der Bienen derart effizient ausgetauscht, daß die Gemeinschaft sich nahezu so verhält, als wäre sie eine Einheit mit eigenem Nervensystem und eigenen Sinnesorganen. Eindringlinge werden erkannt und vernichtet, und zwar mit einer Selektivität, die der des Immunsystems von Säugetieren vergleichbar ist. Die relativ hohe Temperatur im Innern eines Bienenstockes wird fast ebenso genau reguliert wie die eines menschlichen Körpers, obwohl eine einzelne Biene kein „warmblütiges“ Tier ist. Schließlich und vor allem erstreckt sich die Analogie auch auf die Fortpflanzung.
    Die Mehrheit der Individuen in einem Insektenstaat sind sterile Arbeiter. Die „Keimbahn“ – die kontinuierliche Linie der unsterblichen Gene – fließt durch die Körper einer kleinen Minderheit sich fortpflanzender Individuen, der Geschlechtstiere.
    Diese bilden die Gegenstücke zu unseren eigenen Geschlechtszellen in unseren Hoden und Eierstöcken. Die sterilen Arbeiter entsprechen unseren Leber-, Muskel- und Nervenzellen.
    Das Kamikaze-Verhalten und andere Formen von

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