Das egoistische Gen
Veröffentlichung Replicators and Vehicles erklärt. Wenn die Fragmentierungseffekte der Meiose alles wären, wäre ein sich ungeschlechtlich reproduzierender Organismus wie eine weibliche Stabheuschrecke ein echter Replikator, eine Art Riesengen. Wenn eine Stabheuschrecke jedoch verändert wird – zum Beispiel ein Bein verliert –, so wird die Veränderung nicht an zukünftige Generationen weitergegeben. Nur Gene reisen von Generation zu Generation, ganz gleichgültig, ob es sich um geschlechtliche oder ungeschlechtliche Fortpflanzung handelt.
Gene sind daher echte Replikatoren. Im Fall einer sich ungeschlechtlich vermehrenden Stabheuschrecke ist das gesamte Genom (die Gesamtheit ihrer Gene) ein Replikator. Aber das Insekt selbst ist kein Replikator. Der Körper einer Stabheuschrecke wird nicht als Abbild eines Körpers der vorherigen Generation geformt. In jeder Generation entwickelt sich der Körper unter der Anleitung seines Genoms neu aus einem Ei, und dieses Genom ist in der Tat ein Abbild des Genoms der vorherigen Generation.
Alle gedruckten Exemplare dieses Buches werden völlig gleich sein. Sie sind Kopien, aber keine Replikatoren. Sie sind Kopien nicht deswegen, weil sie sich untereinander kopiert hätten, sondern weil sie alle von denselben Druckplatten kopiert worden sind. Sie bilden keine Ahnenreihe von Kopien, bei der einige Bücher die Vorfahren der anderen sind. Eine solche Ahnenreihe würde bestehen, wenn wir eine Seite eines Buches fotokopieren würden, dann die Kopie kopieren und danach eine Kopie der Kopie der Kopie anfertigen würden und so weiter. Bei einer solchen Aufeinanderfolge von Seiten gäbe es tatsächlich eine Beziehung zwischen Vor- und Nachfahre.
Und jeder Fehler, der an irgendeiner Stelle in dieser Reihe auftauchte, wäre ebenso bei den Nachfahren vorzufinden, nicht aber bei den Vorfahren. Eine Reihe, die in dieser Weise von Vorfahre zu Nachfahre verläuft, besitzt das Potential zur Evolution.
Oberflächlich betrachtet scheinen aufeinanderfolgende Generationen von Stabheuschreckenkörpern eine Reihe von Kopien darzustellen. Wenn wir aber im Experiment ein Individuum in dieser Reihe verändern (beispielsweise indem wir ihm ein Bein entfernen), wird die Veränderung nicht an seine Nachkommen weitergegeben. Verändern wir dagegen experimentell ein Glied in einer Abfolge von Genomen (zum Beispiel durch Röntgenbestrahlung), so wird die Veränderung an die Folgegenerationen weitergegeben. Dies ist, eher als der fragmentierende Effekt der Meiose, der Hauptgrund für die Feststellung, daß der einzelne Organismus nicht die „Einheit der Selektion“, also kein echter Replikator ist – eine der wichtigsten Konsequenzen der allgemein akzeptierten Tatsache, daß die Lamarcksche „Vererbungstheorie“ falsch ist.
4 Ich bin dafür gescholten worden (natürlich weder von Williams selbst noch auch nur mit seinem Wissen), daß ich diese Theorie des Alterns P. B. Medawar zuschreibe und nicht G.C. Williams. Tatsächlich kennen viele Biologen, vor allem in Amerika, diese Theorie hauptsächlich aus Williams’ 1957 veröffentlichter Arbeit Pleiotropy, Natural Selection and the Evolution of Senescence. Außerdem trifft es zu, daß Williams die Theorie über Medawars Behandlung hinaus weiter ausarbeitete. Dennoch war es meiner Vorstellung nach Medawar, der in seinem 1952 veröffentlichten Buch An Unsolved Problem in Biology wie auch 1957 in The Uniqueness of the Individual den wesentlichen Kern der Idee niederlegte. Ich sollte hinzufügen, daß ich Williams’ Weiterentwicklung der Theorie sehr hilfreich finde, da sie einen notwendigen Schritt in der Beweisführung deutlich macht (die Bedeutung der „Pleiotropie“ oder der multiplen Geneffekte), der von Medawar nicht ausdrücklich hervorgehoben wurde. W. D. Hamilton hat inzwischen in seinem Beitrag The Moulding of Senescence by Natural Selection diese Art von Theorie sogar noch weiterentwickelt. Übrigens habe ich viele interessante Zuschriften von Ärzten erhalten, doch soweit ich mich erinnere, kommentierte keiner von ihnen meine Spekulationen darüber, daß man Gene über das Alter des Körpers, in dem sie sich befinden, „täuschen“ könnte. Ich halte die Idee immer noch nicht für eindeutig töricht, und wenn sie richtig wäre, wäre dies nicht medizinisch gesehen ziemlich wichtig?
5 Die Frage, wozu Sex gut ist, ist immer noch genauso quälend wie eh und je, trotz einiger Bücher, die zum Nachdenken anregen,
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