Das egoistische Gen
Selektion von Genen zustande kommt. Mutationen werden immer noch gefördert, weil sie das Überleben und den Fortpflanzungserfolg von Individuen beeinflussen. Aber eine wichtige neue Mutation im Entwicklungsprogramm eines Embryos kann außerdem die Schleusen für eine Auffächerung der Evolution während der nächsten Jahrmillionen öffnen. Es ist möglich, daß es eine Art Selektion auf höherer Ebene gibt, nämlich für Entwicklungsprogramme, die für Evolution geeignet sind – eine Selektion zugunsten der Evolutionsfähigkeit. Diese Art der Selektion kann sogar kumulativ und daher progressiv sein, auf eine Weise, in der Gruppenselektion dies nicht ist. Diese Gedanken sind in meinem Aufsatz The Evolution of Evolvability genauer dargestellt. Inspiriert wurde ich dazu weitgehend durch das Herumspielen mit dem Computerprogramm Der blinde Uhrmacher, das Aspekte der Evolution simuliert.
2. Die Replikatoren
1 Es gibt zahlreiche Theorien über den Ursprung des Lebens.
Statt mich durch alle hindurchzuarbeiten, habe ich im vorliegenden Buch nur eine davon ausgewählt, um den Grundgedanken zu illustrieren. Ich möchte jedoch nicht den Eindruck erwecken, als sei diese der einzige ernstzunehmende oder sogar der beste Kandidat gewesen. Tatsächlich habe ich in Der blinde Uhrmacher bewußt eine andere Theorie zu demselben Zweck ausgesucht, nämlich A. G. Cairn-Smiths Tontheorie. In keinem der beiden Bücher habe ich mich auf die jeweils gewählte spezielle Hypothese festgelegt. Sollte ich ein weiteres Buch schreiben, werde ich wahrscheinlich die Gelegenheit nutzen und noch einen anderen Gesichtspunkt darzulegen versuchen: den des deutschen mathematischen Chemikers Manfred Eigen und seiner Kollegen. Was ich meinen Lesern immer verständlich zu machen versuche, sind grundlegende Eigenschaften, die jede gute Theorie über den Ursprung des Lebens auf jedem Planeten aufweisen muß, vor allem die Idee von sich selbst vermehrenden genetischen Einheiten.
2 Mehrere erschreckte Briefschreiber haben den Übersetzungsfehler von „junger Frau“ in „Jungfrau“ in der biblischen Prophezeiung in Frage gestellt und eine Antwort von mir verlangt.
Religiöse Empfindlichkeiten zu verletzen ist heutzutage eine gefährliche Angelegenheit, daher komme ich dieser Aufforderung lieber nach. Tatsächlich ist es mir ein Vergnügen, denn Wissenschaftler haben nicht oft die Gelegenheit, jede Menge Bibliotheksstaub einzuatmen, um in einer wirklich akademischen Fußnote zu schwelgen. Die Frage ist in der Tat den Gelehrten, die sich mit der Bibel befassen, wohl bekannt und wird von ihnen nicht in Zweifel gezogen. Das hebräische Wort bei Jesaja ist almah, was ohne jeden Zweifel „junge Frau“ bedeutet, ohne im geringsten Jungfräulichkeit zu implizieren.
Wäre es beabsichtigt gewesen, „Jungfrau“ zu sagen, hätte statt dessen das Wort bethulah benutzt werden können (das doppeldeutige englische Wort „maiden“ zeigt, wie leicht es ist, zwischen den zwei Bedeutungen ins Schlittern zu kommen).
Die „Mutation“ erfolgte, als die vorchristliche griechische Übersetzung, bekannt als Septuaginta, almah mit parthénos wiedergab, was in der Tat gewöhnlich Jungfrau bedeutet.
Matthäus (natürlich nicht der Apostel und Zeitgenosse Jesu, sondern der Evangelist, der viel später schrieb) zitierte Jesaja in einem Text, der von der Version der Septuaginta abgeleitet zu sein scheint (abgesehen von zweien sind alle fünfzehn griechischen Wörter identisch), als er schrieb, „Dies alles jedoch ist geschehen, damit erfüllt würde, was vom Herrn durch den Propheten gesprochen worden ist, welcher sagt: Siehe, die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebären, und man wird ihm den Namen Immanuel geben“ (offizielle deutsche Übersetzung). Unter christlichen Gelehrten ist die Auffassung weit verbreitet, daß die jungfräuliche Geburt Jesu eine spätere Einfügung ist, die vermutlich von griechisch sprechenden Gelehrten vorgenommen wurde, damit die (falsch übersetzte) Prophezeiung als erfüllt erschien. In modernen Bibelübersetzungen wie etwa der New English Bible steht bei Jesaja korrekt „junge Frau“. Ebenso korrekt bleibt bei Matthäus „Jungfrau“ stehen, da dort dessen griechischer Text übersetzt ist.
3 Diese Stelle (einer der seltenen – nun gut, relativ seltenen – Fälle, in denen ich geschwelgt habe) ist wieder und wieder frohlockend als Beweis für meinen fanatischen „genetischen Determinismus“
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