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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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geistige Alarmglocken anschlagen sollen. Ein Schneckenhaus ist eine vollkommene logarithmische Spirale,aber wo bewahrt die Schnecke ihre Logarithmentafelnauf; ja, wie liest sie diese überhaupt, wo doch der Linse in ihrem Auge das „linguistische Hilfsmittel“ fehlt, um den Brechungskoeffizienten m zu berechnen? Wie„finden“ grüne Pflanzen die Formel des Chlorophylls „heraus“?
     
    Wenn wir über Anatomie, Physiologie oder fast jeden Aspekt der Biologie – nicht nur das Verhalten – genauso dächten wie Sahlins, so würden wir exakt auf sein nicht existentes Problem stoßen. Die Embryonalentwicklung jedes Teiles eines Tier- oder Pflanzenkörpers erfordert zu ihrer vollständigen Beschreibung komplizierte Mathematik, aber dies bedeutet nicht, daß das Tier oder die Pflanze selbst ein schlauer Mathematiker sein muß! Sehr hohe Bäume haben gewöhnlich gewaltige Stützwurzeln, die wie Flügel aus dem Fuß ihrer Stämme herausragen. Bei jeder Art nimmt die relative Größe dieser Stützen mit der Höhe des Baumes zu. Es ist weithin akzeptiert, daß Form und Größe der Stützwurzeln dem ökonomischen Optimum zum Aufrechthalten des Baumes nahekommen, obgleich ein Ingenieur recht komplizierte Berechnungen anstellen müßte, wenn er dies beweisen sollte. Es würde weder Sahlins noch irgend jemand anderem jemals einfallen, die Theorie, der die Stützwurzeln Genüge tun, einfach mit dem Argument anzuzweifeln, den Bäumen fehlten die mathematischen Kenntnisse, um die nötigen Berechnungen durchzuführen. Warum stellt sich dieses Problem dann im speziellen Fall des durch Familienselektion bestimmten Verhaltens? Der Grund kann nicht sein, daß es sich um Verhalten handelt und nicht um Anatomie, denn es gibt eine Fülle anderer Beispiele von Verhalten (ich meine nicht durch Familienselektion bestimmtes Verhalten), die Sahlins freudig akzeptieren würde, ohne seinen „erkenntnistheoretischen“ Einwand vorzubringen; denken wir etwa an meine eigene Illustration der komplizierten Berechnungen, die wir in einem gewissen Sinne alle vornehmen müssen, wenn wir einen Ball fangen. Man kommt nicht umhin zu fragen: Gibt es Sozialwissenschaftler, die mit der Theorie der natürlichen Auslese im allgemeinen einverstanden sind, aber aus Gründen, deren Wurzeln möglicherweise in der Geschichte ihres Fachgebiets liegen, die aber mit der Sache nichts zu tun haben, verzweifelt etwas – irgend etwas – zu finden suchen, das speziell an der Theorie der Familienselektion falsch ist?
     
    7 Die gesamte Thematik des Erkennens von Verwandten hat seit der Zeit, in der ich dieses Buches schrieb, einen großen Aufschwung genommen. Tiere, wir Menschen eingeschlossen, scheinen bemerkenswert gut in der Lage zu sein, Verwandte von Nicht-Verwandten zu unterscheiden, häufig anhand ihres Geruchs. Ein vor kurzem erschienenes Buch, Kin Recognition in Animals, liefert eine Zusammenfassung des gegenwärtigen Wissensstandes. Das Kapitel über Menschen von Pamela Wells zeigt, daß die obige Feststellung („Wir wissen, wer unsere Verwandten sind, weil man es uns sagt“) der Ergänzung bedarf: Es gibt zumindest sekundäre Indizien dafür, daß wir in der Lage sind, uns verschiedener nonverbaler Anhaltspunkte zu bedienen, einschließlich des Schweißgeruchs unserer Verwandten.
    Das ganze Thema ist für mich in dem Zitat
     
    all good kumrads you can tell by their altruistic smell e. e. cummings
     
    zusammengefaßt, mit dem Pamela Wells beginnt: Alle guten Kameraden kann man an ihrem altruistischen Geruch erkennen.
    Es mag neben dem Altruismus noch andere Gründe dafür geben, daß Verwandte einander erkennen sollten. Ein solcher Grund könnte sein, daß sie das Gleichgewicht zwischen der Fortpflanzung außerhalb und innerhalb der Verwandtschaft wahren wollen, wie wir in der nächsten Nachbemerkung sehen werden.
     
    8 Ein letales Gen ist ein Gen, das seinen Träger tötet. Ein rezessives letales Gen übt, wie jedes andere rezessive Gen, seinen Einfluß nur dann aus, wenn es doppelt auftritt. Rezessive letale Gene halten sich im Genpool, da die meisten Individuen sie lediglich in einer Kopie besitzen und daher niemals ihren Einfluß spüren. Jedes einzelne letale Gen ist selten, denn wenn es sich jemals weiter verbreitet, trifft es auf Kopien seiner selbst und tötet seine Träger.
    Doch möglicherweise gibt es zahlreiche verschiedene letale Gene, so daß wir alle von ihnen durchsetzt sind. Die Schätzwerte darüber, wie viele solcher Gene im

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