Das egoistische Gen
dieses Buches ein Mißverständnis heraufbeschworen. Ich sagte dort (dies ist eine der wenigen Änderungen, die ich im Text der Neuauflage vorgenommen habe): „Wir erwarten einfach, daß Vettern zweiten Grades gewöhnlich 1/16 des Altruismus zu spüren bekommen wie Kinder oder sehr nahe Verwandte.“ Wie S. Altmann aufgezeigt hat, ist dies ganz offensichtlich falsch. Es ist falsch aus einem Grund, der meine damalige Argumentation nicht berührt.
Wenn ein altruistisches Tier einen Kuchen hat, den es seinen Verwandten geben will, besteht nicht der geringste Grund, jedem Verwandten eine Scheibe zu geben, wobei die Größe der Scheiben von der Nähe der Verwandtschaft bestimmt ist.
In der Tat wäre dies absurd, da alle Angehörigen der Art, von anderen Arten ganz zu schweigen, zumindest entfernte Verwandte sind, von denen daher jeder eine sorgfältig abgemessene Krume verlangen könnte! Im Gegenteil, wenn es in der Nachbarschaft einen nahen Verwandten gibt, so besteht kein Grund, einem entfernten Verwandten überhaupt irgendeinen Teil des Kuchens zukommen zu lassen. Abhängig von anderen Komplikationen, wie dem Gesetz vom abnehmenden Ertrag, sollte der ganze Kuchen dem nächsten verfügbaren Verwandten zukommen. Was ich hatte sagen wollen, war natürlich: „Wir erwarten einfach, daß die Wahrscheinlichkeit, Altruismus zu erfahren, für Vettern zweiten Grades 1/16 so groß ist wie für Kinder oder Geschwister“, und so steht es in dieser Auflage.
5 Ich gab der Hoffnung Ausdruck, daß E. O. Wilson in zukünftigen Veröffentlichungen seine Definition von Familienselektion in dem Sinne ändern möge, daß sie auch Nachkommen zu den „Verwandten“ zählt. Ich freue mich, daß in Wilsons Buch On Human Nature das Anstoß erregende „außer Nachkommen“ tatsächlich nicht mehr vorkommt – ich nehme keinerlei Verdienst daran für mich in Anspruch! Wilson fährt fort:
„Obwohl Verwandtschaft so definiert ist, daß sie Nachkommen einschließt, wird der Ausdruck Familienselektion gewöhnlich nur dann verwendet, wenn mindestens einige andere Verwandte, beispielsweise Brüder, Schwestern oder Eltern, ebenfalls betroffen sind.“
Dies ist bedauerlicherweise eine korrekte Feststellung über den gewöhnlichen Gebrauch seitens der Biologen und spiegelt lediglich die Tatsache wider, daß vielen Biologen immer noch ein tieferes Verständnis dessen fehlt, worum es bei Familienselektion überhaupt geht. Sie glauben immer noch, daß Familienselektion etwas Besonderes ist, das über der gewöhnlichen „Individualselektion“ steht. Sie ist es nicht.
Familienselektion folgt aus den grundlegenden Annahmen des Neodarwinismus, wie die Nacht auf den Tag folgt.
6 Der Trugschluß, daß die Theorie der Familienselektion unrealistische Rechenleistungen von Tieren verlangt, wird ohne Abschwächung von aufeinanderfolgenden Generationen von Studenten wieder zum Leben erweckt. Und nicht nur von unteren Semestern. Das Buch The Use and Abuse of Biology des renommierten Sozialanthropologen Marshall Sahlins wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn es nicht als „vernichtender Angriff“ auf die „Soziobiologie“ bejubelt worden wäre. Das folgende Zitat, im Zusammenhang mit der Frage, ob Familienselektion beim Menschen funktionieren könnte, ist fast zu schön, um wahr zu sein:
Im Vorübergehen muß bemerkt werden, daß die erkenntnistheoretischen Probleme, die sich aus dem Mangelan linguistischen Hilfsmitteln zur Berechnung der Verwandtschaftskoeffizienten r ergeben, einen schwerenMangel in der Theorie der Familienselektion darstellen. Brüche kommen in den Sprachen der Welt sehr seltenvor. Es gibt sie im Indogermanischen und in den archaischen Zivilisationen des Nahen und des Fernen Ostens, aber sie fehlen im allgemeinen unter den sogenannten primitiven Völkern. Jäger und Sammler verfügengewöhnlich nicht über Zahlensysteme, die über eins,zwei und drei hinausgehen. Ich verzichte auf Kommentare zu dem sogar noch größeren Problem, wie Tiereherausfinden sollen, daß r [ego, Vettern ersten Grades] = 1/8.
Ich zitiere obige äußerst aufschlußreiche Passage nicht zum ersten Mal und kann auch meine ziemlich ungnädige Antwort darauf aus Twelve Misunderstandings of Kin Selection zitieren:
Es ist schade, daß Sahlins der Versuchung erlag, „auf Kommentare zu dem ... Problem, wie Tiere [r] herausfinden sollen“, zu verzichten. Gerade die Absurdität an der Idee, die er lächerlich zu machen versuchte, hätte
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