Das egoistische Gen
evolutionär stabil ist, oder ob die natürliche Auslese anständige und ehrliche Reklame zum Standard erhebt.
3. Anders als die Weibchen, von denen sie in Augenschein genommen werden, „kennen“ die Männchen in gewissem Sinne ihre eigene Qualität; und sie wenden eine „Reklamestrategie“ an, eine Methode, für sich zu werben, die von ihrer Qualität abhängig ist. Wie üblich meine ich mit „kennen“ kein bewußtes Kennen. Aber wir gehen davon aus, daß die Männchen Gene besitzen, die, abhängig von der eigenen Qualität des Männchens, angeschaltet werden (und privilegierter Zugang zu dieser Information ist keine unvernünftige Annahme; die Gene eines Männchens sind schließlich in die Biochemie seines Körpers eingebunden und haben damit eine weit bessere Ausgangsposition, um auf seine Qualität zu reagieren, als die Gene der Weibchen). Verschiedene Männchen wenden verschiedene Regeln an. Beispielsweise folgt ein Männchen der Regel „Zeige einen Schwanz, dessen Größe proportional zu deiner wahren Qualität ist“; ein anderes folgt möglicherweise der entgegengesetzten Regel. Dies gibt der natürlichen Auslese die Möglichkeit, die Regeln zu steuern, indem sie zwischen den Männchen auswählt, die genetisch programmiert sind, unterschiedliche Regeln anzuwenden. Das Ausmaß der Reklame muß nicht direkt proportional zur wirklichen Qualität sein; ja, ein Männchen könnte der umgekehrten Regel den Vorzug geben. Es ist weiter nichts nötig, als daß die Männchen programmiert sind, bei der „Betrachtung“ ihrer wahren Qualität und der darauf basierenden „Entscheidung“ für das Ausmaß der Reklame – etwa die Größe des Schwanzes oder des Geweihs – nach irgendeiner Regel vorzugehen. Welche der möglichen Regeln schließlich evolutionär stabil sein werden, ist abermals etwas, das das Modell herauszufinden bemüht ist.
4. Die Weibchen besitzen parallel dazu die Freiheit, ihre eigenen Regeln zu entwickeln. In ihrem Fall geht es bei den Regeln darum, die Männchen auf der Basis der Überzeugungskraft ihrer Reklame auszuwählen (erinnern wir uns, daß die Weibchen, oder vielmehr ihre Gene, nicht über die privilegierte Kenntnis der wirklichen Qualität verfügen, wie die Männchen sie haben). Beispielsweise mag ein Weibchen die Regel zugrunde legen: „Glaube den Männchen hundertprozentig.“ Ein anderes Weibchen dagegen könnte die Regel anwenden: „Ignoriere die Reklame der Männchen hundertprozentig.“ Und wiederum ein anderes die Regel: „Nimm das Gegenteil von dem an, was die Reklame sagt.“
Wir stellen uns also Männchen vor, bei denen die Regeln für die Beziehung zwischen eigener Qualität und Umfang der Reklame variieren, und Weibchen mit verschiedenen Regeln für die Wahl des Partners in Abhängigkeit vom Ausmaß der Reklame.
In beiden Fällen verändern sich die Regeln fortwährend und unter genetischem Einfluß. Bis zu diesem Punkt in unserer Erörterung können die Männchen die Beziehung zwischen Qualität und Reklame nach jeder beliebigen Regel wählen; das gleiche gilt bei den Weibchen für den Zusammenhang zwischen Ausmaß der männlichen Reklame und Wahl des Partners. Aus dem Spektrum möglicher Regeln von Männchen und Weibchen suchen wir ein evolutionär stabiles Paar von Regeln.
Dies ist ein wenig wie das Modell der „treuen/flatterhaften“ und „spröden/leichtfertigen“ Individuen, und zwar insofern, als wir nach einer evolutionär stabilen männlichen Regel und einer evolutionär stabilen weiblichen Regel suchen. Dabei bedeutet Stabilität wechselseitige Stabilität, also daß beim gleichzeitigen Wirken zweier Regeln beide stabil sind. Wenn wir ein derart stabiles Paar von Regeln finden können, so können wir sie untersuchen, um herauszufinden, wie das Leben in einer Gesellschaft sein würde, in der die Geschlechter nach diesen Regeln spielen, und vor allem, ob es eine Welt mit Zahavischen Handikaps wäre. Grafen stellte sich die Aufgabe, ein solches wechselseitig stabiles Paar von Regeln zu finden. Wollte ich eine solche Aufgabe durchführen, so würde ich mich vermutlich durch eine mühsame Computersimulation hindurchquälen.
Ich würde eine Auswahl an Männchen in den Computer einspeisen, die eigene Qualität und Reklame nach unterschiedlichen Regeln zueinander in Beziehung setzen, sowie eine Auswahl an Weibchen, die sich bei der Wahl ihrer Geschlechtspartner nach unterschiedlichen Regeln am Werbeaufwand der Männchen orientieren. Dann würde
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