Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
Vom Netzwerk:
ich die Männchen und Weibchen im Computer herumlaufen lassen, sie würden aufeinandertreffen, sich paaren, wenn das Wahlkriterium des Weibchens erfüllt ist, und dann ihre männlichen und weiblichen Regeln an ihre Söhne und Töchter weitergeben. Und natürlich würden Individuen als Resultat ihrer ererbten „Qualität“ überleben oder nicht überleben. Im Verlauf der Generationen würden die sich wandelnden Geschicke jeder einzelnen männlichen und jeder einzelnen weiblichen Regel als Veränderungen in deren Häufigkeit in der Population erkennbar sein. Von Zeit zu Zeit würde ich in den Computer hineinsehen, um festzustellen, ob sich irgendeine stabile Mischung herauskristallisiert. Diese Methode würde im Prinzip funktionieren, doch in der Praxis trifft sie auf Schwierigkeiten. Glücklicherweise können Mathematiker zu derselben Schlußfolgerung gelangen, wie eine Simulation sie liefern würde, indem sie eine Reihe von Gleichungen aufstellen und lösen. Grafen hat das getan. Ich werde seinen mathematischen Gedankengang hier nicht wiederholen und auch seine weiteren Annahmen nicht im einzelnen erklären. Statt dessen komme ich unmittelbar zum Ergebnis. Er fand in der Tat ein evolutionär stabiles Paar von Regeln.
    Nun zu der großen Frage. Stellt Grafens ESS die Art von Welt dar, die Zahavi als eine Welt der Handikaps und Ehrlichkeit erkennen würde? Die Antwort lautet ja. Grafen fand heraus, daß es in der Tat eine evolutionär stabile Welt geben kann, die die folgenden, Zahavis Theorie entsprechenden Eigenschaften in sich vereint:
     
    1. Obwohl sie die freie strategische Wahl des Reklameaufwands haben, entscheiden sich die Männchen für ein Niveau, das ihre wahre Qualität korrekt wiedergibt, selbst wenn das bedeutet zu zeigen, daß diese gering ist. Mit anderen Worten, bei ESS sind die Männchen ehrlich.
     
    2. Obwohl sie die freie strategische Wahl der Reaktion auf die Reklame der Männchen haben, entscheiden sich die Weibchen schließlich für die Strategie „Glaube den Männchen“. Bei ESS zeigen die Weibchen gerechtfertigterweise „Vertrauen“.
     
    3. Reklame ist teuer. Mit anderen Worten, wenn wir auf irgendeine Weise die Effekte von Qualität und Anziehungskraft ignorieren könnten, ginge es einem Männchen besser, wenn es keine Reklame machte (und dabei Energie sparte oder weniger auffällig für einen Räuber wäre). Nicht nur ist Reklame teuer; ein Reklamesystem wird gerade wegen seiner Kosten ausgewählt. Es wird gewählt, weil es den Effekt hat, den Erfolg des Reklametreibenden zu verringern – unter sonst gleichen Umständen.
     
    4. Reklame ist für schlechtere Männchen teurer. Derselbe Reklameaufwand erhöht das Risiko für ein schwächliches Männchen mehr als für ein starkes Männchen. Für Männchen von niedriger Qualität bedeutet teure Reklame ein größeres Risiko als für Männchen von hoher Qualität.
     
    Diese Eigenschaften, besonders die von Punkt 3, entsprechen hundertprozentig Zahavis Theorie. Grafens Demonstration, daß sie unter glaubwürdigen Bedingungen evolutionär stabil sind, wirkt sehr überzeugend. Aber das gleiche gilt für Zahavis Kritiker, die die erste Auflage dieses Buches beeinflußten und die zu dem Schluß kamen, daß Zahavis Ideen in der Evolution nicht funktionieren könnten. Wir sollten uns nicht mit Grafens Schlußfolgerungen zufriedengeben, solange wir nicht sicher sind zu verstehen, wo – wenn überhaupt – jene früheren Kritiker Fehler gemacht haben. Von welcher Annahme gingen sie aus, die sie zu einem anderen Schluß führte? Ein Teil der Antwort scheint darin zu liegen, daß sie ihren hypothetischen Tieren nicht die Wahl aus einem kontinuierlichen Spektrum von Strategien erlaubten. Dies bedeutete häufig, daß sie Zahavis verbale Ideen in der einen oder anderen der ersten drei von Grafen angeführten Arten der Interpretation verstanden – als das Qualifizierende Handikap, das Enthüllende Handikap oder das Bedingte Handikap. Sie zogen keine Version der vierten Interpretation, des Strategisch gewählten Handikaps, in Betracht. Das Resultat war entweder, daß es ihnen überhaupt nicht gelang, das Handikap-Prinzip zum Funktionieren zu bringen, oder daß es zwar funktionierte, aber nur unter speziellen, mathematisch abstrakten Bedingungen, die nicht die volle Zahavische paradoxe Qualität besaßen. Außerdem ist es ein wesentlicher Zug des Handikap-Prinzips mit Strategisch gewähltem Handikap, daß bei ESS sowohl hochqualifizierte als auch

Weitere Kostenlose Bücher