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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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realistischer. Ein weitverbreitetes Krankheitssymptom bei Vögeln ist Durchfall. Wenn ein Vogel einen langen Schwanz hat, wird dieser durch Durchfall wahrscheinlich verschmutzt. Wenn ein Vogel die Tatsache verschleiern will, daß er an Durchfall leidet, so kann er dies am besten tun, indem er es vermeidet, einen langen Schwanz zu haben. Entsprechend kann ein Vogel, der darauf aufmerksam machen will, daß er nicht unter Durchfall leidet, dies am besten mit Hilfe eines sehr langen Schwanzes tun. Dadurch wird die Tatsache, daß sein Schwanz sauber ist, um so augenfälliger. Wenn der Vogel überhaupt kaum einen Schwanz hat, können die Weibchen nicht sehen, ob er sauber ist oder nicht, und vermuten das Schlimmste. Hamilton würde sich nicht auf diese spezielle Erklärung für die Schwänze der Paradiesvögel festlegen wollen, aber es ist ein gutes Beispiel für die Art Erklärung, die er bevorzugt.
    Ich habe das Bild von Weibchen benutzt, die wie diagnostizierende Ärzte handeln, und von Männchen, die ihnen ihre Aufgabe erleichtern, indem sie überall „Thermometer“ zur Schau stellen. Der Gedanke an andere diagnostische Hilfsmittel des Arztes, wie Blutdruckmesser und Stethoskop, brachte mich auf eine Reihe von Spekulationen über die sexuelle Auslese beim Menschen. Ich werde sie kurz darstellen, obgleich ich zugebe, daß ich sie weniger plausibel als unterhaltsam finde.
    Zuerst eine Theorie darüber, warum bei den Menschen der Penisknochen verlorengegangen ist. Ein erigierter Penis kann so hart und steif sein, daß viele Leute im Spaß ihren Zweifeln darüber Ausdruck geben, ob nicht ein Knochen darin sei.
    Viele Säugetiere besitzen tatsächlich einen versteifenden Knochen, das Baculum oder Ospenis, um die Erektion zu stützen. Darüber hinaus ist er bei unseren Verwandten, den Menschenaffen, weit verbreitet; sogar unser engster Vetter, der Schimpanse, hat einen solchen Knochen, wenngleich zugegebenermaßen einen sehr winzigen, der möglicherweise auf dem evolutionären Rückzug ist. Es scheint bei den Menschenaffen eine Tendenz gegeben zu haben, den Penisknochen zu reduzieren; unsere Art, ebenso wie eine Reihe von Affenarten, hat ihn völlig verloren. Somit sind wir den Knochen los, der es unseren Ahnen vermutlich leicht gemacht hat, einen schön steifen Penis zu haben. Statt dessen verlassen wir uns völlig auf ein hydraulisches Pumpsystem, das doch unbestreitbar eine teure und umständliche Lösung zu sein scheint. Und es ist nur zu bekannt, daß die Erektion versagen kann – bedauerlich, um das Mindeste zu sagen, für den genetischen Erfolg eines Männchens in der freien Wildbahn. Womit kann dem ganz offensichtlich abgeholfen werden? Mit einem Knochen im Penis natürlich. Warum verhilft uns die Evolution dann nicht zu einem? Dieses Mal wenigstens können die Biologen der Brigade der „genetischen Beschränkungen“ sich nicht mit einem „Oh, die erforderliche Variation konnte einfach nicht entstehen“ aus der Affäre ziehen. Denn bis vor kurzem besaßen unsere Vorfahren ja gerade einen solchen Knochen, und wir haben in Wirklichkeit alle nur denkbaren Anstrengungen unternommen, um ihn loszuwerden! Warum?
    Die Erektion beim Menschen erfolgt ausschließlich durch Blutdruck. Es ist leider nicht sehr plausibel vorzuschlagen, daß die Härte der Erektion das Äquivalent zum Blutdruckmesser eines Arztes ist, das vom weiblichen Geschlecht dazu benutzt wird, die Gesundheit des männlichen Partners zu untersuchen.
    Aber wir sind nicht an das Bild des Blutdruckmessers gebunden. Wenn, aus welchem Grund auch immer, ein Versagen der Erektion eine zuverlässige Frühwarnung für bestimmte Arten von Krankheiten ist, seien es physische oder psychische, so kann eine Version der Theorie zutreffen. Die Frauen benötigen lediglich ein verläßliches Werkzeug für die Diagnose. Die Ärzte benutzen bei Routineuntersuchungen keinen Erektionstest – sie ziehen es vor, uns zu bitten, die Zunge herauszustrecken.
    Aber Erektionsversagen ist ein bekanntes frühes Warnzeichen für Diabetes und gewisse neurologische Erkrankungen. Weit häufiger ist es das Resultat psychischer Faktoren – Depressionen, Angstzustände, Streß, Überarbeitung, Vertrauensverlust und so weiter. (In der Natur mögen vielleicht unten in der Hackordnung angesiedelte Männchen auf diese Weise betroffen sein. Einige Affen benutzen den aufgerichteten Penis als Drohsignal.) Es ist nicht undenkbar, daß die Frauen, wenn die natürliche Auslese ihre diagnostischen

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