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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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Buckelwals theoretisch um die ganze Welt herum zu hören sein müßte, vorausgesetzt die Wale schwimmen in einer bestimmten Tiefe. Man weiß nicht, ob sie sich tatsächlich über sehr große Entfernungen hinweg untereinander verständigen, doch wenn sie es tun, müßten sie sich in ziemlich genau derselben mißlichen Lage befinden wie ein Astronaut auf dem Mars. Entsprechend der Geschwindigkeit, mit der sich der Schall im Wasser fortpflanzt, würde es ungefähr zwei Stunden dauern, bis der Gesang den Atlantik durchquert hat und eine Antwort zurückkommt. Ich schlage dies als Erklärung für die Tatsache vor, daß manche Wale volle acht Minuten lang ein Selbstgespräch führen, ohne sich zu wiederholen. Dann kehren sie zum Anfang des Gesangs zurück und wiederholen ihn von Anfang bis Ende, viele Male hintereinander, wobei jeder Zyklus ungefähr acht Minuten dauert.
    Die Bewohner von Andromeda in unserem Roman taten genau das gleiche. Da es keinen Sinn hatte, auf eine Antwort zu warten, stellten sie alles, was sie sagen wollten, zu einer ungeheuer langen Botschaft zusammen und sandten diese im Abstand von mehreren Monaten immer wieder in den Raum hinaus. Ihre Botschaft unterschied sich jedoch sehr von der der Wale. Sie bestand aus verschlüsselten Anweisungen für den Bau und das Programmieren eines riesigen Computers. Natürlich waren die Anweisungen in keiner menschlichen Sprache geschrieben, aber fast jeder Code läßt sich entschlüsseln, vor allem wenn seine Erfinder die Absicht hatten, ihn leicht entschlüsselbar zu machen. Die Botschaft wurde vom Jodrell-Bank-Radioteleskop aufgefangen und schließlich entschlüsselt, der Computer wurde gebaut und das Programm ausgeführt. Das Resultat wäre für die Menschheit beinahe verhängnisvoll gewesen, denn die Absichten der Bewohner von Andromeda waren nicht durchweg altruistischer Natur, und der Computer befand sich bereits auf dem besten Wege, zum Diktator der Welt zu werden, als ihm der Held schließlich mit einer Axt den Garaus machte.
    Die aus unserem Blickwinkel interessante Frage lautet: In welchem Sinne kann man behaupten, die Bewohner von Andromeda hätten die Ereignisse auf der Erde manipuliert?
    Sie besaßen keine unmittelbare Kontrolle über das, was der Computer in jedem Augenblick tat; sie konnten in der Tat nicht einmal wissen, daß er gebaut worden war, da die Information 200 Jahre gebraucht hätte, um wieder zu ihnen zurückzugelangen. Die Entscheidungen und Handlungen des Computers waren gänzlich seine eigene Angelegenheit. Er konnte sich nicht einmal wegen allgemeiner taktischer Instruktionen an seine Meister wenden. Alle seine Anweisungen mußten wegen der unüberwindlichen Schranke von 200 Jahren im voraus eingebaut werden. Im Prinzip muß er ungefähr so wie ein Schachcomputer programmiert worden sein, allerdings mit einer größeren Flexibilität und Kapazität zur Aufnahme lokaler Informationen. Das Programm mußte ja so konzipiert sein, daß es nicht nur auf der Erde funktionieren würde, sondern auf jeder beliebigen technisch fortgeschrittenen Welt, auf jeder aus einer Reihe von Welten, deren nähere Gegebenheiten die Bewohner von Andromeda nicht kennen konnten.
    So wie die Bewohner von Andromeda einen Computer auf der Erde brauchten, der die tagtäglichen Entscheidungen für sie traf, müssen unsere Gene ein Gehirn bauen. Aber die Gene sind nicht nur die Bewohner von Andromeda, die die verschlüsselten Anweisungen aussandten, sie sind zugleich auch die Anweisungen selbst. Der Grund, aus dem sie unsere Marionettenschnüre nicht direkt bewegen können, ist derselbe: Zeitverzögerung. Die Gene arbeiten mittels Steuerung der Eiweißsynthese. Das ist eine wirkungsvolle Methode, die Welt zu beeinflussen – aber auch eine langsame. Monate geduldigen Ziehens an den Eiweiß„schnüren“ sind notwendig, ehe ein Embryo entsteht. Am Verhalten dagegen ist das entscheidend Wichtige, daß es schnell ist. Es spielt sich in einer zeitlichen Größenordnung nicht von Monaten, sondern von Sekunden und Bruchteilen von Sekunden ab. Etwas geschieht auf der Welt: Plötzlich taucht in der Luft eine Eule auf, ein Rascheln im hohen Gras verrät die Beute, in Tausendstelsekunden treten Nervensysteme in Aktion, Muskeln reagieren, und jemandes Leben ist gerettet – oder verloren. Gene haben keine solchen Reaktionszeiten. Wie die Bewohner von Andromeda können sie lediglich im voraus   ihr Bestes tun, indem sie sich einen schnell handelnden Computer bauen und ihn im

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