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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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zufällig. Man könnte meinen, es sei für mich als egoistisches Individuum vernünftig, wenn ich versuchen würde, ihn zu töten. Doch halt! C ist ebenfalls mein Rivale, und C ist auch ein Rivale von B. Wenn ich B töte, erweise ich möglicherweise C einen guten Dienst, indem ich einen seiner Rivalen beseitige. Ich täte vielleicht besser daran, B leben zu lassen, denn dann würde er vielleicht mit C konkurrieren oder kämpfen und damit indirekt mir einen Vorteil bringen. Die Moral dieses einfachen hypothetischen Beispiels ist, daß es offensichtlich keinen Nutzen bringt, wenn man unterschiedslos Rivalen zu töten versucht. In einem umfangreichen und komplexen System von Rivalitäten ist es nicht zwangsläufig ein Vorteil, wenn man einen Rivalen von der Bühne beseitigt: Es kann sein, daß andere Rivalen eher von dessen Tod profitieren als man selbst. Dies ist eine bittere Lektion, die auch Schädlingsbekämpfer lernen müssen. Man hat es mit einem gefährlichen landwirtschaftlichen Schädling zu tun, man entdeckt ein gutes Mittel zu seiner Vernichtung, und man wendet es fröhlich an, nur um anschließend festzustellen, daß ein anderer Schädling von dieser Ausrottung noch mehr profitiert als die Landwirtschaft, und letzten Endes hat man sich statt eines Vorteils einen Nachteil eingehandelt.
    Andererseits könnte es ein guter Schachzug sein, wenn man auf eine umsichtige Art und Weise bestimmte einzelne Rivalen tötete oder zumindest mit ihnen kämpfte. Wenn B ein See-Elefant ist, der einen großen Harem von Weibchen hat, und wenn ich, ein anderer See-Elefant, seinen Harem dadurch erwerben kann, daß ich ihn töte, so bin ich vielleicht gut beraten, wenn ich dies versuche. Aber selbst bei selektiver Kampflust entstehen Kosten und Risiken. Es liegt im Interesse von B, sich zu wehren, seinen wertvollen Besitz zu verteidigen. Wenn ich einen Kampf vom Zaun breche, ist es ebenso wahrscheinlich, daß ich tot daraus hervorgehe, wie daß er getötet wird. Vielleicht sogar noch wahrscheinlicher. Er besitzt eine wertvolle Ressource, das ist der Grund, weshalb ich mit ihm kämpfen will. Aber warum besitzt er sie? Vielleicht hat er sie im Kampf gewonnen. Wahrscheinlich hat er vor mir schon andere Herausforderer zurückgeschlagen. Er ist wahrscheinlich ein guter Kämpfer. Selbst wenn ich siegreich aus dem Kampf hervorgehe und den Harem gewinne, werde ich während des Kampfes vielleicht so böse zugerichtet, daß ich die errungenen Vorteile nicht genießen kann. Außerdem kostet Kämpfen Zeit und Energie. Vielleicht wäre es besser, diese im Augenblick zu sparen. Wenn ich mich eine Zeitlang darauf konzentriere, zu fressen und mich aus Schwierigkeiten herauszuhalten, werde ich größer und stärker. Letzten Endes werde ich mit ihm um den Harem kämpfen, aber ich habe vielleicht eine bessere Chance, schließlich zu gewinnen, wenn ich noch warte, statt jetzt über ihn herzufallen.
    Dieses subjektive Selbstgespräch soll lediglich zeigen, daß der Entscheidung für oder gegen einen Kampf im Idealfall eine komplexe, wenn auch unbewußte „Kosten-Nutzen-Rechnung“ vorausgehen sollte. Die potentiellen Vorteile liegen nicht alle auf seiten des Kampfes, einige tun dies allerdings zweifellos. Ähnlich ließen sich im Prinzip bei jeder taktischen Entscheidung im Verlauf eines Kampfes, diesen anzuheizen oder abkühlen zu lassen, Kosten und Vorteile analysieren. Dies hatten die Verhaltensforscher seit langem auf eine etwas verschwommene Weise erkannt, es bedurfte jedoch erst eines J.
    Maynard Smith, der normalerweise nicht zu den Ethologen gezählt wird, damit dieser Gedanke kraftvoll und klar zum Ausdruck gebracht wurde. Gemeinsam mit G. R. Price und G. A. Parker bedient er sich des als Spieltheorie bekannten Zweiges der Mathematik. Ihre eleganten Gedankengänge lassen sich, obwohl sie dabei etwas an Exaktheit einbüßen, ohne mathematische Symbole in Worten ausdrücken.
    Der Grundbegriff, den Maynard Smith einführt, ist die evolutionär stabile Strategie – ein Gedanke, den er bis zu W D. Hamilton und R. H. MacArthur zurückverfolgt. Eine „Strategie“ ist eine vorprogrammierte Verhaltenstaktik. Ein Beispiel einer Strategie ist: „Greif den Gegner an; wenn er flieht, verfolge ihn; wenn er zurückschlägt, lauf weg.“ Es ist wichtig, sich klarzumachen, daß wir die Strategie nicht als etwas betrachten, das von dem Individuum bewußt ausgearbeitet wird. Erinnern wir uns daran, daß wir uns das Tier als eine roboterartige

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