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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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wichtig ist als der beste Schätzwert   des Verwandtschaftsgrades, den ein Tier erhalten kann. Diese Tatsache ist wahrscheinlich ein Schlüssel zum Verständnis zweier Fragen: Warum ist in der Natur elterliche Fürsorge soviel weiter verbreitet und aufopfernder als Bruder-Schwester-Altruismus, und wie ist es möglich, daß Tiere sich selbst höher bewerten als sogar mehrere Brüder. Damit will ich sagen, daß wir zusätzlich zu dem Verwandtschaftsindex so etwas wie einen Index der „Gewißheit“ anwenden sollten. Obwohl die Eltern-Kind-Beziehung genetisch nicht enger ist als die Bruder-Schwester-Beziehung, ist ihre Gewißheit größer. Ich kann normalerweise sehr viel sicherer sein, wer meine Kinder sind, als wer meine Geschwister sind. Und noch sicherer kann ich dessen sein, wer ich selbst bin!
    Wir haben bereits Betrachtungen über Schwindler unter den Trottellummen angestellt, und wir werden in späteren Kapiteln noch mehr über Lügner, Betrüger und Ausbeuter zu sagen haben. In einer Welt, in der andere Individuen beständig auf Gelegenheiten lauern, den Verwandtschaftsaltruismus auszunutzen und für ihre Zwecke zu verwenden, muß eine Überlebensmaschine sich überlegen, wem sie vertrauen, wessen sie wirklich sicher sein kann. Wenn   B wirklich mein kleiner Bruder ist, dann sollte ich ihm bis zur Hälfte der Pflege angedeihen lassen, die ich mir selbst zukommen lasse, und genausoviel wie meinem eigenen Kind. Aber kann ich seiner ebenso sicher sein wie meines eigenen Kindes? Woher weiß ich, daß er wirklich mein kleiner Bruder ist?
      Wenn   C mein eineiiger Zwilling ist, dann sollte ich doppelt so sehr für ihn sorgen wie für eins meiner Kinder, tatsächlich sollte ich sein Leben nicht niedriger bewerten als mein eigenes. Aber kann ich seiner sicher sein? Er sieht zwar so aus wie ich, aber es könnte ja sein, daß wir nur zufällig die Gene für Gesichtszüge gemeinsam haben. Nein, ich werde mein Leben nicht für ihn hingeben. Denn wenngleich es möglich   ist, daß er 100 Prozent meiner Gene besitzt, so weiß   ich, was mich betrifft, mit absoluter Sicherheit, daß ich 100 Prozent meiner Gene in mir trage, und daher bin ich mir selbst mehr wert, als er mir wert ist. Ich bin das einzige Individuum, dessen sich jedes einzelne meiner egoistischen Gene sicher sein kann. Und obwohl im Idealfall ein Gen für den individuellen Egoismus durch ein rivalisierendes Gen für das selbstlose Retten von mindestens einem eineiigen Zwilling, zwei Kindern oder Geschwistern oder zumindest vier Enkeln und so weiter ersetzbar ist, hat das Gen für den individuellen Egoismus den gewaltigen Vorteil der Gewißheit   der individuellen Identität. Das rivalisierende familienaltruistische Gen läuft Gefahr, daß ihm Identifizierungsfehler unterlaufen, die entweder wirklich zufällig sind oder von Schwindlern und Parasiten absichtlich herbeigeführt werden. Wir müssen daher in der Natur ein größeres Ausmaß an individuellem Egoismus erwarten, als anhand des genetischen Verwandtschaftsgrades allein vorausgesagt werden könnte.
    Bei vielen Arten kann eine Mutter ihrer Jungen sicherer sein als ein Vater. Die Mutter legt das sichtbare, greifbare Ei oder trägt das Kind aus. Sie hat eine gute Chance, die Träger ihrer Gene mit Sicherheit zu kennen. Der arme Vater ist der Täuschung sehr viel stärker ausgeliefert. Es ist daher zu erwarten, daß Väter weniger Anstrengungen in die Pflege der Jungen investieren als Mütter. Wie wir in Kapitel 9, dem Kapitel über den Krieg der Geschlechter, sehen werden, gibt es noch andere Gründe dafür, eben dies zu erwarten. Gleichermaßen können Großmütter mütterlicherseits ihrer Enkel sicherer sein als Großmütter väterlicherseits, und man kann erwarten, daß sie mehr Selbstlosigkeit zeigen als Großmütter väterlicherseits.
    Schließlich kann eine Großmutter der Kinder ihrer Tochter sicher sein, während ihr Sohn betrogen worden sein könnte.
    Großväter mütterlicherseits sind ihrer Enkelkinder ebenso sicher wie Großmütter väterlicherseits, weil beide auf eine Generation Gewißheit und eine Generation Ungewißheit zählen können. Ähnlich sollten Onkel mütterlicherseits mehr als Onkel väterlicherseits an dem Wohlergehen von Neffen und Nichten interessiert sein, und im allgemeinen müßten sie ebenso selbstlos sein wie Tanten. Tatsächlich sollten in einer Gesellschaft mit einem hohen Grad an mütterlicher Untreue Onkel mütterlicherseits selbstloser sein als „Väter“, da

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