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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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und den Fällen von Eileiterentzündung bei ihren Kühen. Alles, was mit Mrs. Hicks verwandt war, sowie alles, was ihr gehörte, schien an äußerst schwacher Konstitution zu leiden, so daß ich Gott dankte, daß der Wagen nicht unterwegs zusammenbrach und uns heil bis zur Hicksschen Farm beförderte. Wir trafen Bob und Mr. Hicks bei einer Flasche Bier, die sie zu Ehren des soeben geborenen Kälbchens leerten. Mrs. Hicks verkniff sich jede abfällige Bemerkung, aber ihre Mißbilligung war auch ohne Worte stachelgleich spürbar. Als ich mir gar eine Zigarette anzündete, wurde sie bleich vor Entsetzen. »Mir persönlich macht es nicht so viel aus«, meinte sie spitz, »ich weiß ja, Sie kommen aus der Stadt, aber wenn einer meiner Bekannten käme und sähe Sie bei mir rauchen, da könnte er womöglich glauben, ich gehöre zu der gleichen Sorte Frauen wie Sie.«
    Mrs. Hicks war wohltätig und beschäftigte sich in dieser Eigenschaft, als sei es ihr Beruf. Nicht nur, daß sie regelmäßig in die Kirche ging und den Armen und Einsamen beistand, nein, sie nahm auch regen Anteil am Leben eines jeden einzelnen; sie wußte, wer trank, wer rauchte, wer mit wem ein Verhältnis hatte, und was sie wußte, das berichtete sie getreulich weiter. Sie klärte Ehemänner über ihre verirrten Frauen auf, Frauen über ihre verirrten Ehemänner und Eltern über ihre verirrten Kinder. Auf dem Weg von und zur Stadt sammelte sie ihre Erkundigungen ein und gab sie an geeigneter Stelle weiter. Sie unterhielt ein ausgeklügeltes Spionagesystem, das vierundzwanzig Stunden täglich auf Hochtouren lief. In einer Gemeinde mit Mrs. Hicks leben war ähnlich, als hätte sich Sherlock Holmes im Klosett vor dem Haus niedergelassen. Man fühlte sich ständig überwacht. Ich war wirklich überrascht, als ich erfuhr, daß Birdie Hicks eine Mutter hatte. Sie war so sittenstreng und rein, daß ich mir gut hätte vorstellen können, wie sie aus der Abteilung für Hauskleider im Katalog von Sears-Roebuck zum Leben erwacht war. Eines schönen Abends im Frühling ließ ich Bob mit dem Baby und der Buchhaltung über die Eier allein und machte mich unternehmungslustig zu Mrs. Hicks auf den Weg, weil ich auf ihrer Maschine Vorhänge säumen wollte. Als ich das Heim der Familie Hicks erreichte, saßen Mrs. Hicks, ihre Mutter und ihre Cousine June auf der Terrasse, klatschten mit der Fliegenklappe Moskitos tot und unterhielten sich angeregt über ihre verschiedenen Fehlgeburten. Nachdem die allgemeine Vorstellung vorüber war, setzte ich mich brav auf einen Stuhl und behielt mein Paket mit den Vorhängen auf dem Schoß, ohne vorläufig den wahren Grund meines Kommens zu verraten. Das galt als Anstand, denn auf dem Land, wo sich die Leute nur besuchen, um sich etwas auszuborgen oder zurückzubringen, und wo jeder nach Anregung lechzt, gilt es als sehr unhöflich, gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Als Mann muß man erst seiner Meinung über die Ernteaussichten und die politische Lage Ausdruck verleihen, als Frau ein bißchen tratschen, dann sein Anliegen vortragen, dann essen, ganz gleich, welche Tageszeit es ist und ob man Hunger hat oder nicht, dann abermals über die Ernte und die Politik reden oder ein bißchen tratschen und sich endlich schweren Herzens und offensichtlich widerwillig verabschieden. So will’s der Brauch. Ich hatte noch keine zwei Minuten auf Birdies Terrasse gesessen, als mir bereits klar wurde, daß – wie sehr ich mich auch nach Gesellschaft sehnen mochte – dieser Besuch qualvoll werden würde, denn Birdies Mutter, eine knochige, kleine Hopfenstange mit einem verwegenen, aufgebauschten grauen Haarschopf auf der Stirn wie eine Pusteblume, spielte sich so unentwegt jugendlich auf, daß eine vernünftige Unterhaltung mit ihr ein Ding der Unmöglichkeit war und ihre krampfhafte Emsigkeit einem auf die Nerven ging, als müsse man zusehen, wie jemand einen brüchigen alten Luftballon aufpumpe. Kaum hatte Birdie mich mit ihr bekannt gemacht, legte sie den Kopf auf ihrem dürren Hals schief und krächzte: »Sie haben mich doch sicher für Birdies Schwester gehalten, was? Alle tun’s. Vierundsechzig werd ich nächsten Dienstag, und niemand gibt mir mehr als vierzig. He-he-he! Weil ich so lebhaft bin, he-he-he!« Und zum Beweis schoß sie von ihrem Stuhl auf und sprang ungefähr einen Meter in die Höhe, um eine Fliege zu fangen. Das vom Schicksal ereilte Tier in ihrer zähen Faust, kam sie wieder auf ihre Füße zu stehen, gab sich aber mit

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