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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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Insgeheim fand ich, man könnte den Geschwistern keinen Vorwurf machen, denn Maw sah jetzt aus, als ob sie in den nächsten Stunden einem gesunden Elefantenbaby das Leben zu schenken gedächte.
    Gegen drei Uhr betrat Bob das Haus, und wir brachen ziemlich unvermittelt auf. Bob berichtete mir zähneknirschend, daß er alle zehn Minuten die Arbeit hätte unterbrechen müssen, um entweder irgend etwas an dem völlig vernachlässigten Pflug zu flicken oder Paw aus dem Schatten eines Baumes, Busches, Zaunpfostens, ja selbst der Pferde aufzuschrecken, wo er sich vom Nichtstun ausruhte. Auch über Elwin war er erbost, diesen faulen Lümmel, der sich von Zeit zu Zeit unter einem Autowrack hervorzwängte und Bobs Arbeit kritisierte.
    Bevor die Wunde noch Zeit hatte zu verheilen, trampelten uns die Kettleschen Kühe den Zaun ein, fraßen unsere Obstbäume kahl und taten sich an unserem Gemüse gütlich. Von Fliegen und nie gesättigtem Hunger getrieben, wurden sie zu einer ständigen Gefahr für uns, um so mehr, als die Kettles nur einen sehr kleinen Nutzgarten hatten und es gescheiter fanden, ihn durch starke Stacheldrahtzäune zu schützen, so ihr Vieh dem eigenen Anwesen fernzuhalten und es dafür auf das Land der fremden Farmer loszulassen.
    Nachdem die Kettleschen Tiere wohl zum zehntenmal bei uns eingebrochen waren, riß Bob die Geduld. Er trieb sie zu Kettles hinüber und verlangte stürmisch Abhilfe. Die Würde und der machtvolle Eindruck seines Auftritts wurden allerdings durch die Tatsache geschwächt, daß er sich plötzlich Mrs. Kettle gegenüber fand, die auf dem türlosen Klosett thronte und den letzten Katalog von Sears-Roebuck durchblätterte. Anstatt sich schleunigst der peinlichen Situation zu entziehen, blieb sie seelenruhig hocken und nahm lebhaften Anteil an der folgenden Konversation.
    Bob war so verlegen, daß es ihm im ersten Moment die Sprache verschlug, dann faßte er sich, drehte Mrs. Kettle den Rücken und verfocht seinen Standpunkt. »Ich will keinen Streit mit Nachbarn anfangen, und ich weiß, es fällt euch alten Leuten nicht leicht, den Zaun in Ordnung zu halten, aber wenn ihr jetzt nicht dafür sorgt, daß die verdammten Viecher bleiben, wo sie hingehören, jage ich sie so weit in die Berge, daß sie nie mehr heimfinden.« Worauf Maw bemerkte: »Warum sparen Sie sich Ihr Benzin nich und schießen die Lauser über’n Haufen?« In diesem Augenblick erschien Paw aus dem Keller, wo er wahrscheinlich im Schatten der eingemachten Früchte der Ruhe pflegte, und legte automatisch los: »Die Jungen wollen der alten Dame und mir ja nich helfen und ich schaff's doch einfach nich allein, den Zaun zu flicken und das alles, und das Mordsvieh trollt sich ja doch , wohin’s will, aber wenn Sie für ’nen Tag oder zwei kämen und würden mir helfen, da brächten wir’s vielleicht fertig, und sie würden hierbleiben …« Maw unterbrach sein weinerliches Plärren energisch: »Der verdammte Stier war’s wieder, Paw. Der Bastard treibt’s jeden Sommer so. ’s gibt keinen Zaun, Bob, wo der nich schon durchgebrochen wär, und keine Farm im ganzen Tal, die er nich schon heimgesucht hätt, und da gibt’s nichts, wie das Vieh abknallen.«
    Paw schlenderte bedächtig vor und lehnte sich an die Wand des Klosetts. »Nich der Stier, Maw, die Fliegen sind schuld. Bloß die Fliegen. Wenn Sie uns mal helfen könnten, Bob, mit dem Mist, so ’n Tag oder zwei, da könnten wir vielleicht die Fliegen vertreiben …« Bob erkannte, daß er geschlagen war, und da sich sowieso mit dem Rücken zum Gegner der Kampf weder mit drohender Miene noch mit einschüchternden Gesten begleiten ließ, brach er die Unterhaltung ab, kehrte heim, verkleidete unsern Staketenzaun mit einem Stacheldrahtschutz und besserte das Tor aus.
    Die Tiere ließen sich durch die erhöhten Schwierigkeiten nicht abschrecken, und je weiter der Sommer fortschritt, desto schlimmer wurde die Fliegenplage, und je schlimmer die Fliegenplage, desto kühner das Vieh in seiner Verzweiflung. Über einen vierfach mit Stacheldraht verstärkten Zaun sprang es mit der Behendigkeit und Grazie von Antilopen. Da kein Zaun stachelig oder hoch genug zu sein schien, befolgte Bob zu guter Letzt den Rat erfahrener Farmer und lud sein Gewehr mit Steinsalz. Ich verzog skeptisch die Mundwinkel, denn der Stier war ein klapperdürrer Geselle, ein ausgemergelter Buchhaltertypus, dem die saftige Männlichkeit und das Draufgängertum, das man gemeinhin mit dem Begriff Stier verbindet,

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