Das Ei und ich
’ner Farm und hatten zwei Söhne, wo in den Krieg hätten sollen, aber so ’ne Angst hatten, daß sie sich im Heuschober verkrochen, und Peter Moses, der bekam Wind davon, und da ging er doch hin und zeigte die Burschen bei den Männern an, die hergekommen waren, um meine Jungen für den Krieg zu holen.« Peter Moses behauptete, die Kettlejungen seien so versessen darauf gewesen, sich für den Militärdienst zu melden, daß sie sich im Keller hinter den Fässern mit eingemachten Früchten versteckten, als sie die Männer von der Aushebungsbehörde aufs Haus zukommen sahen.
Den Maddocks gehörte eine der ertragreichsten Farmen der Gegend. Sie besaßen sechshundert Morgen ehemaligen Torflandes, jetzt drainiert und bebaut, sechsundachtzig Guernseykühe, einen preisgekrönten Stier, Schweine, Kaninchen, Hühner, Enten, Truthähne, Schafe, Bienenstöcke, einen ausgedehnten Obstgarten mit vielen Beerensträuchern und Nußbäumen, ein Haus aus Backsteinen, moderne Scheunen, solide Nebengebäude, einen herrlichen Garten und eine eigene Wasser- und Lichtanlage. Die fünf Söhne hatten auf der landwirtschaftlichen Schule studiert, von Mrs. Maddock behauptete die Fama, sie sei auf ein College gegangen und habe das Abschlußexamen mit Auszeichnung absolviert. Sooft wir zur Stadt fuhren, kamen wir an der Maddockschen Farm vorbei, und als eines Tages am Gartenzaun ein Schild baumelte »Honig zu verkaufen«, überredete ich Bob, der Farm einen Besuch abzustatten. Wir bogen in die Anfahrt ein, einen sehr schönen, mit Kies bestreuten Weg, und hielten beim Kuhstall, wo ein groß gewachsener Mann in blau-weiß gestreiftem Arbeitsanzug uns entgegentrat und sich als Mr. Maddock vorstellte. Er forderte uns auf, mit ihm zum Haus hinüberzukommen und uns alles anzusehen.
Die Farm war blendend eingerichtet. Man hatte uns nicht zuviel davon erzählt. Sie war ein Sinnbild der Selbsterhaltung. Die Kühe lieferten Milch für die Hühner, die Hühner lieferten den Mist für die Obstbäume, die Obstbäume lieferten den Bienen ihre Nahrung, die Bienen verstreuten den Samen der Obstbäume, und so ging alles weiter in einem ausgeglichenen Kreislauf, zu dem jeder seinen Teil beitrug. Es war das genaue Gegenteil vom verderblichen Kreislauf der Familie Kettle, wo Peter den Paul bestahl, um George etwas zurückzugeben, was der sich von Ed geborgt hatte. Auf der Maddockfarm wickelte sich alles wie am Schnürchen ab, nirgends entstand eine Reibung. Die Ställe sahen aus, als seien sie Plakaten für Milchschokolade entlehnt, sauber und ordentlich und ausgestattet mit den letzten Neuerungen an Beleuchtung, Lüftung und Fütterungsanlagen. Die Schweinekoben waren auszementiert und sauber gehalten, die Hühnerställe hell, mit vielen Fenstern, elektrisch geheizt und belichtet, appetitlich weiß gestrichen. Die Entengehege, der Auslauf für die Hühner, die Kaninchenställe – alles blitzte von Neuheit und Sauberkeit. Nachdem wir die Außenanlagen besichtigt hatten, wandten wir uns dem Hause zu. Es hatte eine Fassade aus Ziegeln, und damit war’s schon aus. Die Zimmer waren dunkel, die wenigen Fenster klein. Die Küche war schmal, ebenfalls dunkel, und die Größe des Ausgusses entsprach den winzigen Waschschüsseln in den Schlafwagenabteilen der Schnellzüge. In einer Ecke der Küche stand auf einem gewöhnlichen Holzblock ein Waschtrog. Mrs. Maddock war ebenfalls dunkel und freudlos wie ihr Haus und das Museumsstück einer Frau. Sie erzählte mir, daß sie seit siebenundzwanzig Jahren die Farm keinen Tag und keine Stunde verlassen habe. Nicht einmal nach Docktown oder nur in den nächsten Marktflecken war sie in dieser Zeit gekommen. Als wir uns von Mr. Maddock verabschiedeten, fragte er uns mit schlecht verhehltem Stolz: »Na, was sagen Sie zu meiner Farm?« Zum erstenmal hatte ich das Gefühl, Mrs. Kettle vorbehaltlos zu verstehen. Mr. Maddock hätte nur eine Antwort verdient, aber um ihm die zu geben, war ich zu gut erzogen.
Mary MacGregor hatte feuerrot gefärbtes Haar, eine große Milchfarm und eine starke Liebe für Alkohol. Betrunken wie ein Matrose, der nach acht Monaten zum erstenmal an Land kommt, pflegte sie auf die Mähmaschine zu klettern und ihrem Knecht zu befehlen: »Los, Bill, bind mich fest!« Und Bill band sie mit Stricken, alten Wäscheleinen und Riemen fest, gab ihr die Zügel in die Hand, und dann schnitt Mary, gut gelaunt wie eine Katze beim Honigtopf, den Hafer, schwankte grölend im Halbkreis übers Feld und war mit sich und
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