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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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unwissentlich eingeschleppte Tannennadel bei ihrer Entdeckung eine Panik auf Hicksschem Grund und Boden auslösen würde. Mrs. Hicks trug stets frisch gestärkte Kleider, die von dem Moment, wo sie aufstand, bis zu dem Moment, wo sie schlafen ging, gleich fleckenlos und blütenrein blieben. Im übrigen sah sie aus, als sei sie versehentlich zu lange in der Waschmaschine geblieben und zu sehr ausgelaugt worden. An ihrem Gesicht fielen nur komische, tief über die Stirn gezogene Löckchen auf und knallrote Flecken von »Rusch«, die sie sich in die bleichen Wangen rieb.
    Mr. Hicks war ein stämmiger, rosahäutiger Dummkopf, der auf Zehenspitzen durchs Leben ging und stets bemüht war, keinen Schmutz ins Haus oder auf irgend etwas zu bringen, das der Gewalt seiner Gattin unterstand, die er als Kreuz betrachtete, einzureihen zwischen Maria Magdalena und dem Kreisinspektor.
    Kurz nach unserem Einzug auf der Hühnerfarm luden uns die Hicks zum Essen und anschließendem Unterhaltungsabend im Schulhaus ein. Man setzte uns ein riesiges Stück Rindfleisch vor, dazu gekochte Kartoffeln, gekochte grüne Bohnen, gekochten Mais, gekochte Erbsen, gekochte Karotten, gekochte weiße Rüben und Spinat. Gleichzeitig mit Fleisch und Gemüse servierte Mrs. Hicks Käse, Gurken, Eingemachtes, Marmelade, Gelee, hausgebackenes Brot, Fleischkäse, gebackene Muscheln, kleine Pfefferkuchen, Torte und Tee. Dies war das Abendessen. Bei den Hicks wurde gegen elf Uhr vormittag zu Mittag gegessen. Unsere Gastgeberin, eine sehr schlanke Dame, aß mit einem Appetit, der zehn Holzfällern alle Ehre gemacht hätte, und sagte, als sie sich zum drittenmal den Teller bis zum Rand vollschöpfte, mit entsagungsvollem Augenaufschlag: »Mir bekommt nichts, einfach nichts. Alles, was ich heute abend zu mir nehme, stößt mir morgen noch auf.«
    Nach dem Abendessen setzten wir uns feierlich in das ordentliche, kleine Wohnzimmer auf die glänzend polierten Eichenstühle um den glänzend polierten Eichentisch unter die Rochesterlampe. Mr. Hicks mühte sich vergebens, dem Radio einige melodische Töne zu entlocken, und Mrs. Hicks stieß in größeren Abständen nichtssagende Bemerkungen aus, um die nie, in Gang kommende Konversation nicht ganz einschlafen zu lassen. Von Zeit zu Zeit warf die gestrenge Dame ihrem Ehegatten einen Blick zu, der anzudeuten schien, daß sie ihm bei der kleinsten, nicht genehmen Bewegung an die Gurgel springen werde. Als eine Redepause sich zur Ewigkeit auszudehnen drohte, fühlte ich die grobe Spitze der gehäkelten Schutzdecken auf Rücken und Lehnen meines Stuhles an Hals und Armen kratzen. Mrs. Hicks machte der unbehaglichen Situation ein Ende, indem sie Mr. Hicks in die Küche rief. Ob sie ihn ins Ohr zwickte, odei was sie mit ihm anstellte, weiß ich nicht, jedenfalls kam er ins Wohnzimmer zurück und verkündete, er könne leider nicht mit ins Schulhaus zum Unterhaltungsabend gehen, da eine der Kühe voraussichtlich diese Nacht kalben würde. Bob erbot sich sogleich, dazubleiben und Mr. Hicks zu helfen, und so machte ich mich mit Mrs. Hicks allein in ihrem Wagen auf den Weg. Doch mit uns fuhren Mrs. Hicks’ Leber und ihre Galle. Sie habe unzählige Ärzte konsultiert, berichtete Mrs. Hicks mir, und sehr viele Kuren gemacht, müsse aber immer noch Pillen nehmen. Sie fuhr, wie die meisten Einwohner dieser Gegend der Vereinigten Staaten, auf der falschen Straßenseite, sehr schnell und nur selten mit den Händen am Steuer. Während der Fahrt zum Schulhaus entgingen wir – jedesmal um Haaresbreite – dem Zusammenstoß mit zwei anderen Personenwagen, einer Kuh, einem Pferdefuhrwerk, einem Lastwagen und einem Straßenreinigungswagen, aber dies konnte die unerschrockene Frau nicht davon abhalten, mir jede einzelne Phase ihres vieljährigen Lebenskampfes mit Leber und Galle ausführlich zu schildern. Ihre Leber war so träge, daß sie ständig angeregt werden mußte, damit sie ihrerseits für das geregelte Funktionieren der Galle sorgte, laut Mrs. Hicks’ fachmännischer Erklärung. Bevor wir die Aula betraten, schluckte sie zwei Anregungspillen für die Leber, und ich war sehr enttäuscht, ihren Lebermotor nicht sogleich vernehmlich ticken und die abgesonderte Galle in heiterem Platsch-Platsch in die Gallenblase, oder wohin Galle fließen mag, tropfen zu hören.
    Auf dem Rückweg wechselte Mrs. Hicks das Thema und unterhielt mich mit der Aufzählung ihrer Fehlgeburten, der Fehlgeburten ihrer Schwestern, der Fehlgeburten ihrer Kühe

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