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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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hinein und stellte sie in den Schrank, wo sie ihr nutzloses Dasein fristeten, bis Anne herumzukriechen begann. Eines Tages entdeckte sie sie und erkor sie zu ihrem Lieblingsspielzeug. Gefüllt mit Sand und Klötzchen zog sie die Schuhe wie kleine Lastwagen hinter sich her, und nie mehr gelang es uns, ein gleich unverwüstliches Spielzeug zu finden.
    Was das Kaufen bei fliegenden Händlern so verführerisch machte, war die Tatsache, daß man zahlen konnte, wann man Geld hatte. Geld spielte keine Rolle, die Verkäufe wurden allesamt auf Pump getätigt. Hatte man die geschuldete Summe gerade da, wenn die Ware kam, um so besser, war es nicht der Fall, machte es auch nichts. Der Verkäufer blieb zum Essen da, man plauderte, die Atmosphäre der Freundschaft förderte natürlich die Kauflust, und man bestellte viel mehr, als man nötig hatte.
    Auch zwei weibliche Reisende gab es, die gemeinsam auf Tour gingen: die Korsettverkäuferin und die Hauskleidverkäuferin. Sie arbeiteten zusammen, eine zwängte einen in ihre Korsette, und die andere zerrte einem ihre Hauskleider über. Die Korsettdame hatte stechende schwarze Äuglein, hurtige Finger und einen ansehnlichen Busen und imponierenden Bauch, den sie offenbar in feste Stahlschienen panzerte, denn wenn ich versehentlich gegen sie stieß, fühlte sich das an, als ob ich unseren Petroleumkanister berührt hätte. Sie war eine äußerst geschäftstüchtige Person. Kaum war sie in den Hof eingefahren und ausgestiegen, stand ich schon halbnackt im Schlafzimmer, bereit, in eines ihrer Modelle zu steigen. Ihre emsigen Finger rollten das Ding zusammen, dann hielt sie es mir hin, ich stieg durch die Beinlöcher hinein, und nun rollte sie es an mir in die Höhe, ein langwieriger und ekelhafter Prozeß, zwängte, zerrte und zupfte es über meine Hüften und meinen Bauch, bis es fast unterm Kinn saß. Darauf mußte ich mich Vorbeugen, sie streifte mir die Träger über und schubste mich in aufrechte Haltung. Meine Beine waren durch das Korsett so eng zusammengeschnürt, daß ich keinen Schritt machen konnte, und den Kopf zu senken war unmöglich, weil der Panzer mir den Busen bis zum Hals hinaufpreßte.
    »Schau nur, Ella«, rief die Korsettdame mit falscher Begeisterung in der Stimme der Hauskleiddame zu. »Sieht sie nicht fabelhaft aus?«
    Die Hauskleiddame unterschied sich nur darin von der Korsettdame, daß die Farbe in ihren stechenden Augen blau war. »Großartig!« bestätigte sofort die Hauskleiddame. »Ein himmelweiter Unterschied.«
    Ich trippelte zum Spiegel und prüfte den himmelweiten Unterschied. Damals war ich dünn wie eine Bohnenstange, und eingezwängt in das Korsett sah ich aus wie ein Reagenzröhrchen, aus dem oben etwas herausquillt. Selbst wenn ich wirklich fabelhaft ausgesehen hätte, wäre es notwendig gewesen, daß ich meine Beine bewegen und meinen Kopf neigen konnte, also zog ich das Mieder schneller und viel weniger vorsichtig, als ich es angezogen hatte, wieder aus. Die Korsettdame war wütend und sah sich nicht genötigt, dies zu verbergen. Während die Hauskleiddame mich jetzt bearbeitete, saß die Korsettdame auf einem Stuhl, die Beine gespreizt, doch Bauch herein und Brust heraus, und starrte steinern zum Fenster hinaus. Manche der Hauskleider waren ganz hübsch, nur leider alle stahlblau, aber ich bestellte vier und noch zwei Paar Seidenstrümpfe, die zu groß ausfielen, weshalb ich sie Mrs. Kettle verehrte.
    Es gab noch mehr Reisende, aber sie wechselten oder kamen nur einmal und spielten darum keine wichtige Rolle in unserem Leben. Dieses An-der-Tür-Kaufen, anstatt in einen Laden zu gehen, hat große Vorteile. Wenn man ein für allemal weiß, daß der Parfümreisende nur Veilchen- oder Rosenparfüm hat, klappert man nicht alle Läden ab und ist unglücklich, wenn man sich auf Chanel Nummer Fünf versteift hat und es nirgends bekommt, und wenn man sich damit abgefunden hat, daß die Hauskleiddame einzig stahlblaue Modelle führt, dann gewöhnt man sich an die Farbe, ob sie einem steht oder nicht, oder findet sich damit ab, in Sackleinwand gekleidet zu gehen. Es gibt auch keine Eifersüchteleien und keinen Neid, sobald man genau weiß, daß weit und breit im Umkreis alle Frauen stahlblaue Hauskleider tragen und entweder nach Veilchen- oder nach Rosenparfüm duften.

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