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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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Vorwürfe. Wenn ich nun starb, und Bob ließ mich in einem »vielfarbigen« Sarg in die Erde senken, so würde ich mit dem quälenden Gefühl in die Ewigkeit eingehen, nie etwas »Vielfarbiges« gesehen zu haben. Die Bezeichnung »Blumenmuster« übte ebenfalls großen Reiz auf mich aus. Blumenmuster konnten vom Vergißmeinnicht bis zur Orchidee alles sein, was unter diesem Sammelbegriff wuchs. Es hieß, die Katze im Sack kaufen, aber ich wagte es und beglückte meine Familie mit vielen blumengemusterten Gegenständen.
    Mit dem Frühling kam der Ofensetzer. Im Verlauf des Januars wurde Herd von heftigen Verdauungsbeschwerden befallen. Wo früher einmal stolz ein Rost in den Angeln gehangen hatte, gähnte jetzt ein Loch, und ich mußte architektonische Wunderwerke von Holzstößen aufbauen, um überhaupt ein Feuer zustande zu bringen. Wegen eines Rostes fährt man in den Bergen nicht in die Stadt. Man spielt mit seinen Nerven Zerreißprobe und verbringt die Tage mit vergeblichen Versuchen, auf dem Feuerchen oder auch nur auf dem warmen Atem des Feuerchens zu kochen, das aus dem Ascheloch, wo der Rost und das Holz zusammengefallen sind, aufsteigt. Im übrigen wartet man auf die sagenhafte Erscheinung des Ofensetzers, von dem die Überlieferung behauptet, er mache im Frühjahr seine Runde.
    Eines Morgens hatte ich mich zu dem Entschluß durchgerungen, ein oder zwei unserer Stühle zu Kleinholz zu zerhacken und ein Feuer im Ausguß anzuzünden, um Bob dadurch aus seiner Lethargie aufzurütteln, da erschien der Ofensetzer. Mit sich brachte er eine Wagenladung einzelner Ofenteile und Werkzeuge sowie seine Frau und sein drei Jahre altes Töchterchen. Der Ofensetzer griff Herd mutig in den Schlund und beförderte erst einmal seine Eingeweide zutage, eine Tätigkeit, nach der ich schon lange lechzte. Nachdem der Retter in der Not die einzelnen Teile Herds über die ganze Küche verstreut hatte, schlenderte er zu Bob hinaus und schilderte ihm in düsteren Farben die vielen Möglichkeiten, bei der Hühnerzucht sein Geld zu verlieren.
    Diese düstere Einstellung entsprang nicht etwa manischen Depressionen, sondern spiegelte nur wider, was dem Ofensetzer jahraus, jahrein bei den Farmern zu Ohren kam. Die Farmer wünschten, düster in die Zukunft zu blicken, und sie wünschten, daß ihre Besucher es ihnen gleichtaten. Pflegten des Nachbars Hennen prinzipiell nur zweidottrige Eier zu legen, hatte seine Kuh gerade gekalbt, war seine Farm schuldenfrei und die letzte Hypothek bezahlt, brachte sein Weizen pro Halm einen Scheffel Getreide und befand sich eine eben entdeckte Ölquelle auf seinem Grund und Boden, so erwähnte man nichts von diesen Glücksfällen, sondern sagte beim Anblick der munteren Hennen nur mit bewölkter Stirn: »Zuviel legen macht die Hennen schwach und anfällig für Krankheiten«, worauf der Farmer dem Futtertrog einen Tritt versetzte und verdrießlich brummte: »Drückt auch die Eierpreise runter.«
    Besichtigte man im Stall die eben geworfenen, fröhlich quietschenden Kälber, stieß man zwischen den Zähnen hervor: »’s soll wieder Fälle von Tbc geben, dies Jahr. Bei manchen Herden bis zu fünfzig Prozent kranke Tiere.« Darauf meinte der Farmer: »Die Bangsche Krankheit geht auch um.« Und an den Zaun des wogenden Weizenfeldes gelehnt, äußerte man unheilkündend: »Furchtbar, wenn jetzt ein Wolkenbruch käme.« Darauf lautete die Entgegnung: »Regen in der Erntezeit wär mein Ruin.« Die Farmer glichen einer bestimmten Sorte von Hausfrauen, die krankhaftes Vergnügen daran finden, ihre Arbeit zu schmähen. »Der Kuchen ist mir danebengeraten, er ist nicht zu essen«, behaupten sie und nötigen einen, von der Biskuitrolle zu versuchen, die herrlich mürbe ist und paradiesisch schmeckt.
    Die Farmersfrauen waren überhaupt ein Kapitel für sich. Sie besaßen Ausdauer, Kraft und Energie von Lokomotiven und den Appetit von Landsknechten, klagten aber die ganze Zeit, wie furchtbar zart und anfällig sie seien und beim kleinsten Windstoß aus dem Geleise geworfen. Sie fühlten sich angeblich stets elend, schluckten literweise Medizin und behaupteten, sie selbst und auch ihre Sprößlinge seien bei der Geburt so winzig gewesen, daß sie in einem Schuhkarton Platz hatten und sich die elterlichen Eheringe als Armschmuck umhängen konnten.
    Des Ofensetzers Frau – »Ach, nennen Sie mich schlicht und einfach Myrtle« – und seine kleine Tochter Darleen ließen sich in der Küche häuslich nieder, während Bob und

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