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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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selbst der größte Haufen Schmutzwäsche nimmt einmal ein Ende, und als ich eines Tages kein waschbares Stück mehr im Gästezimmer entdeckte, schleppte ich mich glücklich, aber müde in die Küche zurück, leerte die Lauge in den Ausguß und sank neben Herd in den Stuhl. Fast im gleichen Moment verkroch sich die Sonne hinter einer dicken Wolke; von der Schlucht her fegte zischend ein Windstoß gegen das Haus; es fing an zu regnen, und ich schlief tief und traumlos ein.
    Wie ein Taucher, der nach langem Aufenthalt unter Wasser an die Oberfläche kommt, wachte ich aus meinem Schlaf auf und hörte, vorerst noch verschwommen, ein Poltern an der Hintertür. Ich taumelte hoch und wankte, noch nicht ganz bei Besinnung, zur Tür. Es war der Rawleigh-Reisende, kurz Rawleigh-Mann genannt, der energiegeladen ins Haus stürmte, mir tief in die Augen sah und fragte: »Wie steht’s? Wie geht’s? Sie haben ein Kind bekommen, hab ich gehört. Die inneren Organe alle wieder schön in Ordnung?«
    Der Rawleigh-Mann verkaufte Gewürze, Waschmittel, Kaffee, Seife, Läusepulver, Parfüm, Schokolade, alle möglichen Modeartikel und außerdem, das war sein Steckenpferd, betätigte er sich als ärztlicher Ratgeber und Wunderdoktor und stellte die intimsten Fragen, während er seinen Musterkoffer öffnete. Ich beruhigte ihn wegen meiner inneren Organe, und er begann, mir von seinem Leistenbruch zu erzählen; weil ich jedoch nicht zu seinen langjährigen Kunden zählte, zeigte er ihn mir nicht, was er sonst ganz sicher getan hätte. Zum Ausgleich bot er mir Details von einem Geschwulst am Eierstock weiter oben im Norden, einer Gebärmuttersenkung nahe der Stadt, mehreren hartnäckigen Fällen von Verstopfung im westlichen Teil des Tals und einer nassen Flechte in Docktown, bei der alle Heilsalben und Wundwasser, die er auf Lager hatte, versagten.
    Ich machte dem Wunderdoktor eine Tasse Kaffee und ein Schinkenbrot, und er erkundigte sich nach allen Einzelheiten von Annes Geburt. Er fand es sehr erfreulich, daß ich ins Spital des nächsten Städtchens und nicht in die Großstadt gefahren war. Niemand konnte es erfreulicher finden als ich, denn zwei so schöne Wochen wie dort hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht verbracht.
    Das Bezirksspital wurde von Schwestern geleitet und lag auf einer Anhöhe mit Aussicht auf den Sund. Mein Zimmer war sehr hoch, hatte altmodische Fensterläden an allen vier Fenstern, die den Ausblick auf die Bucht freigaben, und behäbige Großvatermöbel aus Ahorn, ein Badezimmer mit einer Toilette mit Kettenschnur und hellgelben Wänden. Die Schwestern hatten eigene Landwirtschaft, hielten Kühe, Schweine, Hühner und Truthähne und stellten einem zum Frühstück wunderbare selbstgemachte Konfitüre hin, die nach frischen Erdbeeren duftete, daß man meinte, noch den Morgentau darauf zu spüren, leckeren Schinken, warme Brötchen, starken Kaffee und Sahne, die so dick war, daß man sie mit dem Löffel aus dem Kännchen holen mußte. Sie machten jedes andere Spital in meinen Augen unmöglich, indem sie sonntags herrliche Eiscreme und gebratene Hühnchen auftischten und mir mitten am Vormittag heiße Schokolade und Pfefferkuchen brachten. Am Abend setzten sich die Schwestern mit ihren Handarbeiten zu mir ans Bett, und wir plauderten und lachten, bis die Oberin sie verscheuchte und das Licht in meinem Zimmer löschte. Die Aussicht auf einen zweiwöchigen Aufenthalt in diesem Paradies hätte mich dazu verleiten können, bis ans Ende meiner Tage Kinder in die Welt zu setzen, aber das verschwieg ich dem Rawleigh-Mann, obwohl wir trotz kurzer Bekanntschaft auf sehr vertrautem Fuß miteinander standen.
    Weitere Reisende, die regelmäßig zu uns kamen, waren der Vertreter der Samenhandlung, der unsere Obstbäume inspizierte und uns englische Walnuß-, Haselnuß-, Kastanien-, Aprikosen- und Pfirsichbäume verkaufte; dann der Schuhhändler, der keine Modelle, sondern nur Abbildungen vorwies, was ich sehr gut begriff, als die braunen Spangenschuhe aus weichem Leder eintrafen, die ich bestellt hatte. Die Schuhe waren derb, aus hartem Leder, vielfach mit dickem Garn genäht, zusammengekleistert hätte Gammy es genannt, und hatten steifes, dickes Futter. Zu tragen waren sie nicht. Vor lauter Sohlen, Nähten und gesteppten Teilen blieb gar kein Platz für den Fuß. Vielleicht hätte jemand mit sehr schlanken Füßen und viel Ausdauer die Ungeheuer anbekommen, aber nur vielleicht, sicher war es nicht. Ich steckte Schuhspanner

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