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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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grinste ich Bob an, als er mit heruntergezogenen Mundwinkeln und geblähten Nasenflügeln die Kostprobe nahm. Doch kaum hatte er den Bissen einmal gekaut, verließ der mißtrauische Ausdruck sein Gesicht und machte Staunen Platz. Er ging sogar selbst zu der Kiste und schnitt einen weiteren Streifen für sich und einen für mich ab. Auf sein ausdrückliches Verlangen hin kostete ich auch, und ich muß sagen, der Lachs schmeckte wundervoll. Mein Genuß wurde nur durch den Gedanken gestört, daß Lachse wohl bald zu den vielen Dingen gehören würden, die Bob als Vorrat in seiner Speisekammer zu sehen wünschte, und um das Räuchern auf indianische Art zu erlernen, blieb mir sicher nichts anderes übrig, als ein paar Tage in Clamfaces, Crowbars und Geoducks Wigwam – oder wo sie hausen mochten – zu ziehen.
    Wir lernten die Swensons und noch ein paar Indianer kurz nach unserer Ankunft auf der Farm kennen, und als ich beobachtete, wie die Freundschaft zwischen ihnen und Bob immer herzlicher wurde, begann ich zu verstehen, warum es Männern viel leichter fällt als Frauen, sich in neuer Umgebung heimisch zu fühlen. Sie stellen an ihre Freunde weniger Ansprüche. Eine Frau macht sich gewisse Vorstellungen und will dann, daß die Wirklichkeit ihren Vorstellungen entspricht. Sie nimmt als Vorbild meist sich selbst, beurteilt die Freundin nach diesem Muster und stößt sich an allen fremden Eigenheiten. Unter einer Ähnlichkeit von neunzig Prozent tut sie es nicht, und auch dazu ist sie nur bereit, weil sie insgeheim hofft, die fehlenden zehn Prozent werden sich im Lauf der Zeit noch einstellen, so daß die Übereinstimmung ungetrübt vorhanden ist. Freundinnen mit lärmigem Benehmen, geschmacklosen Kleidern oder schlecht beleumundeter Familie werden abgeschafft, und lieber verzichtet eine Frau auf jeglichen Umgang mit Freundinnen, als daß sie ununterbrochen Zugeständnisse machen muß.
    Ein Mann findet jemanden, der ihm gefällt, und befreundet sich mit ihm. Er befreundet sich mit ihm zum Beispiel, weil beide gern auf die Entenjagd gehen. Die Tatsache, daß der Freund über einen Wortschatz von kaum mehr als zehn Ausdrücken verfügt, sich selten wäscht, viel Tabak kaut und häufig ausspuckt, fast immer betrunken ist und Frauen haßt, tut der Freundschaft keinen Abbruch. Der Mann verschließt sich den Fehlern seines Freundes nicht, erwähnt sie aber nicht anders, als er die Farbe seiner Augen oder seinen Brustumfang erwähnt. Die Freundschaft hält sich trotz aller Verschiedenheit über Jahre.
    An einem schönen Sommerabend, als Bob zu einer Farmerversammlung gegangen war und ich mich trotz des Alleinseins nicht fürchtete, weil es um acht Uhr abends noch hell war, kam überraschend Geoduck mit einem Freund in den Hof gefahren und rief mit viel Stimmaufwand nach Bob. Ich war gerade damit beschäftigt, Eier versandbereit zu verpacken; um mich herum türmten sich Berge von Holzwolle, Kistchen und sonstiges Packmaterial, nicht gerade sehr ordentlich, aber bequem zu erreichen, und so brüllte ich, ebenfalls mit viel Stimmaufwand, zurück: »Bob ist nicht da. Er ist zur Farmerversammlung gefahren.« Zu meinem Erstaunen trollten sich die beiden darauf nicht, sondern kamen in die Küche gestolpert, und da merkte ich erst, daß sie beide etwas über den Durst getrunken hatten. Geoducks Freund war ein unsympathisch aussehender Geselle mit Schielaugen, einer plattgedrückten Nase, speckigen Kleidern, die um seine magere Gestalt schlotterten, und einer gefährlich wirkenden Narbe über der flachen Stirn.
    »Allein hier, he?« erkundigte er sich, mich mit einem widerlichen Blick seiner Schielaugen musternd und unsicher auf den Beinen schwankend. Erbost schaute ich Geoduck an, der nie sehr viel Respekt vor mir gehabt, sich aber auch nie frech aufgeführt hatte. »Bob ist zur Farmerversammlung gegangen, Geoduck, und vor zehn Uhr kommt er sicher nicht heim«, sagte ich und warf ihm einen Blick zu, der Bände sprach. Aber weder Geoduck noch sein Freund machten Miene, sich von meinem Blick beeindrucken zu lassen. Sie rührten sich nicht. Geoduck sah sich anerkennend in der Küche um und meinte wohlwollend: »Haben Sie nett eingerichtet, Ihre Küche hier.« »Es ist besser, Sie gehen, Geoduck«, sagte ich daraufhin. »Und zwar sofort.«
    Der Freund grinste schmierig. »Haben aber vielleicht noch keine Lust zum Gehen, he, Geoduck?« Ein Auge war auf mich, das andere auf Geoduck gerichtet. Ich wandte mich abermals an Geoduck und warf ihm

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