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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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mich geschmeichelt.
    Die alte Indianerin unternahm es nun, mich auf englisch über ihre Familiengeschichte zu orientieren, wobei sie alles an die zwanzig Mal wiederholte. Sie war schwerhörig und schon reichlich senil, was die Unterhaltung etwas komplizierte; ich ließ sie reden und begnügte mich mit Zuhören. Ihr Stamm war, nach ihren Erzählungen zu schließen, sehr kriegerisch gewesen, bis im Jahr 1855 nach einem erbitterten Kampf nur noch neunzig Stammesbrüder übrigblieben. »Jetzt nur noch ich«, blubberte sie mit ihrem zahnlosen Mund. »Alle anderen Weiße geheiratet, Blut vermischt.« Die Alte war nett, und sie gab sich schrecklich Mühe, englisch zu reden, aber es war trotz allem anstrengend, ihr zuzuhören. »Ich war anständiges Mädchen, einen Mann und sonst keinen, keinen Whisky. Die anderen –« eine Armbewegung umschloß sämtliche Anwesende – »alle schlecht, und Schlechtigkeit wird bestraft, kommt später raus. Da – Krüppel!« Sie deutete auf ein kleines Mädchen, das unweit von uns spielte. Es hatte einen verkürzten Arm, und an der einen Hand fehlten drei Finger. Anschließend an diese letzte düstere Bemerkung der Alten wurde das Zeichen zum Mittagessen gegeben.
    Bei Tisch wählte ich sehr vorsichtig nur von den Muscheln und Krebsen, die eine junge Frau, die einen sauberen Eindruck machte, zugerichtet hatte, aber Bob griff herzhaft und wahllos zu. Er fühlte sich unter Freunden.
    Nach dem Essen suchte sich jeder ein Plätzchen in der Sonne und streckte sich zu einem Nickerchen aus. Um die achtlos weggeworfenen Hühnerknochen, Muschelschalen und sonstigen Abfälle kümmerte sich niemand.
    Gegen halb drei gab es so etwas wie einen Morgenstreich, und das Essen und Trinken begann von neuem. Bisher waren die Männer zwar leicht angeheitert, aber doch immer noch verträglich gewesen. Als der Nachmittag langsam in den Abend überging und die Trinkerei kein Ende nahm, wurden sie lauter, führten sich wie Betrunkene auf und suchten Streit. Es setzte ein paar Schlägereien, und einige Frauen bekamen auch ihren Teil ab, weil sie in ihrer Vermessenheit versucht hatten, die Kampfhähne zu trennen. Um sechs Uhr wurden die Lagerfeuer angefacht und die Kinder, die den ganzen Tag im oder am Wasser gespielt hatten, zum Trocknen in die Nähe der Feuer gebracht. Um sieben Uhr bemächtigte sich der Frauen eine gewisse Unruhe, da die sinnlos betrunkenen Gatten und Söhne nur schwer zusammenzutrommeln waren.
    Eine Frau mühte sich vergebens, ihrem vielleicht fünfzehnjährigen Sohn die Flasche zu entwinden. »Gib das Zeug her«, zeterte sie, »du wirst genau so ein Strolch werden wie dein Vater«. »Laß mich zufrieden«, lallte der Bursche, »scher dich zum Geschirrabwaschen, Alte«. Der Vater saß auf dem Trittbrett seines Wagens, gleich hinter dem Jungen, und lachte, daß ihm die Tränen über die Backen liefen.
    Eine andere Frau zog ihre zwölfjährige Tochter unter einem Wagen hervor, wo sie sich mit einem alten Manne herumgedrückt hatte. Die Mutter packte das verdorbene Geschöpf am Haar, schüttelte es tüchtig hin und her und stieß das vor Betrunkenheit fast besinnungslose Ding ins Innere des Wagens, wo es sich albern kichernd in die Polster schmiegte und einschlief.
    Ich suchte nach Bob, Clamface, Geoduck und Crowbar, konnte sie aber nirgends finden. Sie seien zum Scheibenschießen hinunter an den Strand gegangen, hieß es. Es war schon dunkel, als sie wieder auftauchten und wir aufbrechen konnten. Unsere Gesellschaft hatte sich vergrößert. Die alte Indianerin, die mir die Geschichte ihres Stammes erzählt hatte, und zwei Frauen, deren Männer in der Trunkenheit ohne sie abgefahren waren, kletterten mit in den Wagen der Swensons.
    Geoduck raste in verrücktem Tempo, ein Rad über den Rand der Straße hinaus, durch die Nacht. Mir wurde angst und bange, doch als ich ihn bat, auf allen vier Rädern zu fahren, entgegnete er, auf drei Rädern sei es sicherer. Ich dachte an die Anfahrt zu unserem Haus, wo auf einer Seite die Böschung steil abfällt, und machte den Vorschlag, den letzten Teil des Weges zu Fuß zurückzulegen. Doch Bob wehrte lachend ab und behauptete: »Geoduck ist ein ausgezeichneter Fahrer, stimmt’s, Geo?«
    Als wir heil zu Hause landeten, empfing uns Maxwell Jefferson, der Alkoholschmuggler, der die Farm während des Tages für uns gehütet hatte. Er trug das Baby ins Haus und brachte es fertig, Bob vom Wagen herunterzulotsen und die anderen wegzuschicken. Während ich die Kleine

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