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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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zehn Uhr gingen wir alle schlafen. Ich hatte gerade meinen warmen Flanellpyjama angezogen und wollte die Kerze ausblasen, als Maw mich von ihrem Schlafzimmer an der anderen Seite des Ganges rief. Auf den Zehenspitzen schlüpfte ich hinaus und blieb einen Augenblick zögernd vor der offenen Tür zum ehelichen Schlafzimmer stehen. Doch Maw stand am Fenster und winkte mir zu, näherzutreten. »Stellen Sie die Kerze auf die Kommode und kommen Sie mal her, Betty«, flüsterte sie aufgeregt. Die vom Regen gereinigte Luft und der Duft der feuchten Erde strömten zum Fenster herein. »Sehen Sie mal dort, beim Südgatter, da hat der Blitz in den alten Ahornbaum eingeschlagen. «
    Quer über die Straße lag die abgespaltene Hälfte des mächtigen Baumes. Die andere Hälfte hob sich zerfetzt und zum Sterben verurteilt vom samtigen Sommerhimmel ab. Das Gewitter hatte sich verzogen, noch während wir beim Abendessen gesessen hatten, und alles, was davon übriggeblieben war, war der zerstörte Baum und das melancholische tropf, tropf, tropf des aus den Dachrinnen sickernden Regenwassers. Maw stand stumm da und betrachtete den verstümmelten Baum, dann schloß und verriegelte sie sorgfältig das Fenster, nahm ihre Kerze vom Tisch und stellte sie auf den Stuhl neben dem Bett. Von dort her tönten regelmäßige Atemzüge, nur hie und da von einem gurgelnden Schnarcher unterbrochen. Paw schien in dem Augenblick eingeschlafen zu sein, da er sein Bett unter sich fühlte; er mußte sehr müde gewesen sein, außer seiner schmuddligen Unterwäsche und der schmuddligen Wolljacke hatte er seinen Hut anbehalten und tief über die Ohren gezogen. Maw ließ sich auf ihre Seite des Bettes sinken, wodurch Paw mit einem gefährlichen Wippen in die Höhe schnellte, doch er wachte nicht auf. »Er trägt immer ’n Hut im Bett, weil er so schnell am Kopf friert«, erklärte Maw, und da erst kam mir zum Bewußtsein, daß ich Paw erstaunt angestarrt hatte. Hastig nahm ich meine Kerze und verschwand in mein Reich.
    Leise schlüpfte ich neben meiner kleinen Anne ins Bett und kuschelte meine Wange ans Kopfkissen, eines von Maws Prachtstücken, reich verziert mit Blumen- und Knötchenmustern. »Die Knötchen drücken noch mehr als die Blumen«, schoß es mir durch den Kopf, doch über der Frage, ob Paw wenigstens seine Kniestiefel auszuziehen pflegte, wenn er ins Bett stieg, versank ich in Schlaf.

Mit Pfeil und Bogen
    Die Indianer aus den Küstengebieten des Stillen Ozeans, die ich zu Gesicht bekam, glichen den kühnen Abbildungen auf den Reklameplakaten der Great Northern Railroad wenig. Die meisten der Küstenindianer sind klein und O-beinig.
    Doch die Brüder Swenson gehörten zu den Ausnahmen. Sie hießen Clamface, Crowbar und Geoduck und waren Bobs Busenfreunde. Ich wurde in diese Freundschaft nicht eingeschlossen, weil Frauen bei ihnen nicht zählten und ihnen sowieso Bobs Einstellung zu mir unbegreiflich blieb. Bob war ein ausgezeichneter Jäger, ein blendender Schütze und bestimmt kein Schwächling, und wenn ich ihn bat, mir doch ein wenig Holz zu holen, brüllte er mich nicht an: »Halt’s Maul, Alte«, gab mir auch keinen, ihrer Meinung nach für solche Anmaßung wohlverdienten Kinnhaken, sondern ging und erfüllte meine Bitte. Sie hätten so wenig Holz gehackt oder Wasser geholt, wie es ihnen in den Sinn gekommen wäre, ihrer Ehehälfte beim Waschen zu helfen. Sie brachten Bob Wild, Muscheln, Krebse, Austern, Fasanen, Wachteln und Whisky, und während unseres zweiten Sommers auf der Farm erschienen sie eines Abends mit einer Kiste geräucherter Lachse. Sie trampelten zur Küchentür herein, ließen die Kiste inmitten des Raumes zu Boden poltern, und dann klappte Geoduck den Deckel hoch, nahm mit seinen schmutzigen Pfoten einen Lachs heraus, schnitt ein Stück ab und bot es Bob 'als Kostprobe an.
    Oft schon hatte es mich geärgert, daß sie Bob ausnehmend freundlich behandelten, während sie mich links liegen ließen, aber bei dieser Gelegenheit atmete ich erleichtert auf, daß ich mehr oder weniger Luft für sie war. Ich hatte gelesen, daß bei den Indianern verfaulter Lachs eine Delikatesse ist, und wenn ich auch Clamface, Crowbar und Geoduck für zivilisiert hielt, so genügte doch der Anblick ihrer Hände, an denen der Schmutz sicher seit einer Woche nicht mehr abgewaschen worden war, um mir den Appetit zu verderben. Außerdem hatte ja vor ihnen beim Räuchern und Ausnehmen noch Gott weiß wer alles mit den Lachsen hantiert. Schadenfroh

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