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Das einsame Haus

Das einsame Haus

Titel: Das einsame Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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dringend.«
    »Ich kann doch jetzt...«
    »Du mußt sofort mitkommen. Es geht um Leben oder Tod.«
    Er kannte mich zu gut, um zu wissen, daß es mir ernst war.
    »Was ist derm... doch nicht etwa Cornelia...?«
    »Nein. Ich erzähle dir alles unterwegs. Geh zu deinem Boß und nimm dir frei.« Ich deutete zum Fenster hinaus auf den Himmel, an dem die weißen Quellwolkentürme eines nahenden Gewitters standen. »Wenn das Wetter kommt, ist vielleicht alles zu spät.«
    »Gut«, sagte er. »Einen Augenblick.«
    Dieser Augenblick schien mir wie eine Ewigkeit. Tagelang war nun das Wetter klar und schön gewesen, und jetzt, in diesem so wichtigen Augenblick, zog ein Gewitter auf, das alle meine Pläne zunichte machen konnte.
    Ich rauchte vor Nervosität eine Zigarette nach der anderen. Endlich kam Alfred.
    »Fertig, wir können gleich los. Wohin denn?«
    »Du mußt tauchen. Nicht tief. Da ist eine Gumpe, direkt unterhalb der Großhesseloher Brücke. Komm, fahren wir zu dir, damit du dein Gerät holen kannst.«
    Als wir auf die Straße kamen, fing die Sonne an, sich stechend gelb zu färben.
    Ich fuhr nach Bogenhausen, zu Alfreds Wohnung, und es dauerte wieder eine ganze Ewigkeit, bis er endlich mit seinem Tauchgerät ankam. Wir verstauten es in meinem kleinen Wagen, und dann fuhr ich, ohne auf Geschwindigkeitsbegrenzungen zu achten, in Richtung Grünwald.
    Als wir an der Brücke hielten, fegte der Gewitterwind rauschend durch die Bäume.
    Ich zeigte hinunter, wo die Isar noch ganz klein und seicht floß.
    »Geh hinunter, Alfred. Es liegt da ein Stein im Wasser, direkt am Rand dieser tiefen Gumpe. Er sieht von der Brücke aus einem kleinen Hasen ähnlich. Ich dirigiere dich von dort aus hin, dann mußt du selber weiterkommen.«
    »Schon gut«, sagte er. »Wir werden diese verdammte Pistole schon finden.«
    Er kletterte den Steilhang hinunter, ich rannte auf die Brücke, und als ich an der Stelle angekommen war, wo der tote Max Buchinger gelegen hatte, da peitschten mir die Gewitterböen die ersten großen Tropfen hart ins Gesicht.
    Sechsunddreißig Meter unter mir stand Alfred und winkte, als er seine Ausrüstung angelegt hatte.
    Der Regen klatschte aufs Wasser, trübte die Oberfläche, ich konnte den markanten Stein nicht mehr ausmachen.
    »Dort!« schrie ich hinunter und fuchtelte mit den Armen in die Richtung. »Dort ungefähr! Noch weiter links. L-i-n-k-s!«
    Eine Verständigung war nicht mehr möglich, und Alfred schien meine Armbewegungen nicht zu verstehen. Ich riß ein Blatt aus meinem Notizbuch und schrieb auf:
    »Arm hoch = weiter weg. Arm linkes Ufer = weiter links. Arm rechtes Ufer = weiter rechts. Beide Arme hoch = näher her. Beide Arme waagerecht = das ist die Stelle.«
    Ich wickelte mein Feuerzeug, ein Geschenk Cornelias, in das Papier und ließ es hinunterfallen.
    Der Wind riß das kleine Päckchen zur Seite, es schlug meterweit neben Alfred ins Wasser.
    Ich gab es auf und rannte die Brücke entlang zum Ufer, dann kletterte ich hinunter. Das Gras und der Lehmboden waren vom Regen schon schmierig geworden, ich rutschte, klammerte mich am Gebüsch, riß mir die Hände blutig, und landete endlich zerschunden und voll Schmutz am Fuße der Brücke, wo der Fußweg durch den ersten Pfeiler führte.
    Ohne auf Anzug oder Schuhe Rücksicht zu nehmen, watete ich durch das seichte Wasser, das sich schon zu trüben begann, bis ich Alfred erreicht hatte.
    »Verdammt«, sagte er, »was hast du mir denn heruntergeworfen?«
    »Mein Feuerzeug. Es ist wohl futsch, oder?«
    »Hab’s nicht finden können, es ist gerade dort drüben hineingefallen, wo etwas Strömung ist. Meintest du, daß ich mir jetzt unbedingt eine Zigarette anzünden sollte?«
    Ich zog ihn am Arm mit mir.
    »Los, Alfred, fang bitte an. Hier irgendwo muß es tief werden. Buchinger hat die Stelle ganz genau ausgemacht und sehr überlegt gewählt.«
    »Finde ich nicht«, sagte Alfred. »Drüben der Kanal ist doch viel tiefer.«
    »Eben drum. Der Kanal hätte Verdacht erwecken können. So sah es unverfänglicher aus. So fang doch endlich an.«
    Ich schaute ihm ungeduldig zu, wie er sein Sauerstoffgerät in Schwung brachte, wie er seine Taucherbrille anfeuchtete und zurechtschob, und dann glitt er ins Wasser, das inzwischen vom Sturm und Regen aufgepeitscht war.
    Jetzt hatte er den Rand der Gumpe erreicht, er verschwand immer mehr im Wasser und schließlich war er weg. Ich konnte nicht einmal die kleinen Blasen erkennen, die von ihm aufstiegen.
    Ich wußte genau,

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