Das einsame Haus
feindselige Spannung, die von der Hausmeisterin auszugehen schien. Ich nahm mich zusammen und fragte ganz ruhig weiter.
»Samstag morgen? Ach ja, da hat sich Mutti doch mit Onkel Max gestritten, oder?«
»Ja«, nickte die Kleine. »Ganz böse waren sie. Ich bin aufgewacht, weil Mutti so geschrien hat. Ich mußte noch nicht aufstehen, der Wecker hat noch nicht geklingelt, und dann hat Mutti die Tür auf einmal ganz laut zugeknallt.«
Ich blickte kurz auf und sah in zwei totenblasse, erstarrte Gesichter.
»Und dann, Vroni? Was war dann?«
Das Kind zuckte mit den Schultern.
»Weiß nicht. Ich habe dann nichts mehr gehört, und dann hat der Wecker geklingelt, ich bin aufgestanden und zur Schule gegangen.«
»Hast du Mutti nicht auf Wiedersehen gesagt?«
Ein erstaunter Blick.
»Das tu ich doch nie, weil Mutti doch immer noch schläft. Mein Frühstück steht fertig in der Küche. Als ich weg bin, hat Mutti wieder geschlafen.«
»Sicherlich. Und Onkel Max?«
»Weiß nicht, der wird fortgegangen sein.«
»Sicherlich«, sagte ich so gleichgültig wie möglich. »Vielleicht hast du dich auch geirrt, und es war gar nicht Onkel Max?«
»Doch war er es, ich hab’ ihn doch reden gehört.«
»Ach was, du irrst dich sicherlich. Es wird dein Vater gewesen sein.«
»Nein, Vati ist doch auch verreist! Ich habe ganz deutlich gehört, wie Onkel Max gesagt hat, Mutti soll ihm jetzt endlich Papier geben, aber Mutti wollte nicht, und da hat er sehr geschimpft, und wahrscheinlich ist er dann gegangen, und Mutti hat die Tür so laut zugeschlagen, daß es richtig geknallt hat. Sie streiten manchmal miteinander, aber dann ist Onkel Max immer wieder ganz lieb zu Mutti und mir.« Ihr Blick wurde besorgt. »Aber Sie sagen Vati doch nichts davon, gell?«
»Kein Wort, das verspreche ich dir. Auf Wiedersehen, Vroni.«
Sie gab mir unbefangen die kleine Hand.
»Auf Wiedersehen. Und vielen Dank für den Teddybär.«
Ich verließ mit Cornelia die Küche, Frau Pachtmann folgte uns. Wir gingen schweigend bis zur Haustür, dann sagte ich zu Frau Pachtmann:
»Das Kind hat erlebt, wie seine Mutter erschossen worden ist. Behalten Sie für sich, was wir eben gehört haben.«
Da war wieder der feindselige Ausdruck in ihrem Gesicht.
»Ich werde die Polizei anrufen, sofort. So was muß man melden, sonst macht man sich strafbar. Was wollte der Kerl nur? Papier? Das kann doch wohl kaum stimmen?«
»Kaum«, sagte ich. »Kinder haben viel Phantasie. Also rufen Sie Inspektor Wendlandt an, wenn Sie es für richtig halten.«
»Sie kennen ihn?«
»Ich arbeite mit ihm zusammen. Aber rufen Sie ihn ruhig an, er wird Ihnen dankbar sein.«
Ich ließ sie stehen und ging mit Cornelia zum Wagen. Als wir anfuhren, sagte ich:
»Er wollte die Papiere, das ist klar. Ich verstehe nur nicht, warum er sie sich nicht geholt hat.«
»Das ist auch klar«, sagte Cornelia. »Weil ihm Freddy in die Quere gekommen ist. Wohin fahren wir jetzt?«
»Zu meinem Freund Alfred Schoch.«
»Zu Schoch? Was willst du denn von dem? Hast du nichts Wichtigeres zu tun? Willst du eine Taucherausrüstung kaufen?«
»Ich fahr dich jetzt in dein Geschäft, Liebling, sonst werfen sie dich dort noch hinaus. Es gibt aber für einen zukünftigen Ehemann nichts Beruhigenderes, als wenn seine Frau einen guten Job hat.«
»Scheusal. Soll ich heute abend Makkaroni machen?«
»Ja, mit viel Schinken. Und einer Pulle Wein dazu. Bis heute abend ist der Fall Möhnert erledigt.«
Cornelia sah mich zweifelnd an.
»Meinst du wirklich? Nur weil wir jetzt bestimmt wissen, daß Max Buchinger die Vera Möhnert erschossen hat? Wer hat ihn dann erschossen?«
»Das wird mir bald klar sein. Deshalb will ich ja zu Alfred.«
»Himmel, mußt du immer alles so spannend machen?«
»Davon werden wir eines Tages leben, Kindchen. Danke Gott, daß ich diese Gabe besitze, sonst müßte ich vielleicht Stromzähler ablesen. Servus. Bis heute abend!«
Alfred ist Verkäufer in einem großen Sportgeschäft im Zentrum Münchens. Er betreut hauptsächlich die Sporttaucher, unternimmt viele Reisen und verbringt seine Urlaube mehr unter Wasser als auf dem Lande.
Als ich ihn in seiner Abteilung traf, war er gerade bemüht, aus einer älteren Dame einen kompletten Froschmann zu machen, und als er es endlich geschafft hatte, kam er aufatmend zu mir ans Fenster.
»Servus«, sagte er. »Was darf es sein, der Herr? Eine ganz neuartige Kohlensäure-Harpune oder...«
»Fredl, ich brauche dich. Sofort. Und sehr
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