Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das einsame Haus

Das einsame Haus

Titel: Das einsame Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
Vom Netzwerk:
Veronika? Geht Sie das Kind was an? Sind Sie verwandt mit den Möhnerts?«
    »Nein«, sagte ich. »Aber ich war mit Frau Möhnert befreundet. Einen Tag, bevor sie starb, war ich noch bei ihr. Meine Verlobte und ich dachten, wir sollten mal nach Veronika sehen, weil wir nicht wußten, daß das Kind hier so gut aufgehoben ist.«
    Primitiven Menschen kann man immer schmeicheln. Und wenn es noch so dick aufgetragen ist, sie glauben es nur allzu gern. Das harte Gesicht der Frau wurde weniger hart, sie überlegte und musterte Cornelia und mich. Schließlich hielt sie es offenbar für möglich, aus uns noch etwas herauszuschinden. Sie machte die Tür auf und sagte:
    »Dann geben’s das Paket der Vroni in Gottes Namen selber.«
    Sie führte uns in die Wohnküche. Am Tisch saßen zwei Kinder: das kleine Mädchen vom Swimming-pool und ein etwas älterer, sommersprossiger Junge. An der Wand, dem Herd gegenüber, stand eine Couch, auf der Spielsachen herumlagen.
    Frau Pachtmann schob das Spielzeug zusammen und deutete auf die Couch.
    »Setzen Sie sich doch«, sagte sie, dann wandte sie sich dem Jungen zu. »Draußen auf dem Hof steht wieder dein Fahrrad mitten im Weg. Räum’s weg. Und nimm die Kanne zum Milchholen gleich mit.«
    Maulend und uns neugierig musternd verschwand der Junge. Ich nahm Cornelia das Paket aus der Hand und legte es vor Vroni auf den Tisch.
    »Für dich, Vroni. Erinnerst du dich noch an mich?«
    Sie war etwa sechs, höchstens sieben Jahre alt. Ihre großen blauen Augen tasteten mich prüfend ab.
    »Nein, ich erinnere mich nicht. Hat Mutti Sie geschickt? Mutti ist nämlich verreist.«
    »Ja, ich weiß. Sie hat mir gesagt, ich soll dir das bringen, weil sie selber dazu keine Zeit mehr gehabt hat. Pack mal aus.«
    Die kleinen Händchen wickelten das Papier ab, öffneten die Schachtel und holten den Teddy heraus.
    »Oh...!«
    Sie legte ihn um, der Bär brummte.
    »Oh... der brummt wie meiner. Meiner ist noch zu Hause.«
    »So?« Ich warf Cornelia einen hilfesuchenden Blick zu. Es ist schwer, ein Gespräch mit einem fremden Kind anzufangen, wenn man darin keine Übung hat. Aber Nelly tat, als ginge sie das alles nichts an, sie schaute ruhig und, wie mir schien, leicht amüsiert zu. Vroni ließ den Bären noch ein paarmal brummen, und dann schaute sie abwechselnd mich und Cornelia an. Plötzlich fragte sie:
    »Weshalb soll ich mich an Sie erinnern? Waren Sie schon mal bei uns?«
    »Am Freitag«, sagte ich. »Du hast im Garten gespielt, einen Badeanzug angehabt und einen Gummischwan im Bassin schwimmen lassen.«
    Das Kind lächelte zutraulich.
    »Ja, jetzt weiß ich’s wieder. Aber ich hab’ Sie von draußen nicht gesehen, Mutti sagte nur, daß Besuch da ist. Wohin ist sie denn verreist?«
    »Nach... nach, Himmel, das habe ich jetzt ganz vergessen!«
    Das Gesicht der Kleinen wurde nachdenklich. Sie sagte:
    »Sonst hat mir Mutti immer vorher gesagt, wenn sie verreist, und dann ist Frau Pachtmann immer zu uns gekommen. Warum muß ich denn diesmal...«
    Die Hausmeisterin unterbrach die Kleine.
    »Das habe ich dir doch schon gesagt. Sie ist weit fort, nach Afrika, wo es die Löwen und Tiger gibt, und es wird lange Zeit dauern, bis sie zurückkommt.«
    Die Kleine schaute zweifelnd auf.
    »Mit Pappi?«
    »Freilich«, nickte die Hausmeisterin. »Aber das habe ich dir doch schon alles gesagt.«
    In diesem Augenblick war sie mir sympathisch geworden. Ich nickte ihr zu, dann sagte ich zu Veronika:
    »Tante Nelly und ich werden ab und zu mal nach dir schauen, ja? Sei schön brav inzwischen.«
    Nelly und ich wandten uns der Tür zu, als die Kleine fragte:
    »Kommt Onkel Max auch?«
    Ich wollte schon irgend etwas Belangloses sagen, als mir plötzlich der Atem stockte. Onkel Max...
    So ruhig wie möglich fragte ich:
    »Er hat euch wohl oft besucht?«
    »O ja. Und dann hat er mir Katzenzungen mitgebracht, weil er will, daß ich...«, ein kleines, sehr spitzbübisches Lächeln, »...aber das sag ich nicht, weil es ein Geheimnis ist.«
    Ich streichelte ihr übers Haar. Meine Hand zitterte dabei.
    »Natürlich«, sagte ich gepreßt. »Natürlich darf man ein Geheimnis nicht verraten. Aber du darfst es doch nur deinem Pappi nicht sagen, oder?«
    Vroni nickte eifrig.
    »Ja, Pappi darf es nicht wissen. Er schimpft sonst mit Mutti. Aber du weißt es auch?«
    »Natürlich, Mutti hat’s mir erzählt.«
    »Auch von Samstag morgen?«
    Ich spürte, wie sich Cornelias Blick in mein Gesicht bohrte, ich fühlte beinahe körperlich die

Weitere Kostenlose Bücher