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Das einsame Haus

Das einsame Haus

Titel: Das einsame Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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saß heute nacht noch in seiner Zelle, also kann er Vera nicht erschossen haben. Meint der Richter.«
    »Dann werden Sie jetzt zur Abwechslung wieder einmal Anna van Straaten einsperren, oder?«
    »Nein, werde ich nicht, Sie hat ja ein Alibi, nicht wahr? Sie war doch heute nacht mit Ihnen zusammen.«
    »Richtig, das hätte ich beinahe vergessen. Also große Jagd auf Antonia Paola van Straaten?«
    Er gab mir keine Antwort mehr, sondern hängte ein.
    Als ich mich umdrehte, war Cornelia gerade damit beschäftigt, ein großes Paket auszupacken. Sie brachte einen hübschen braunen Teddybären zum Vorschein, hielt ihn hoch und fragte:
    »Wie findest du den? Nett, wie?«
    »Sehr nett«, bestätigte ich. »Aber ein wenig verfrüht, will mir scheinen. Vorerst sind wir noch nicht einmal verheiratet, und wenn die Preise vermutlich auch weiter steigen, so scheint mir dieser Kauf doch... «
    »Dussel! Vor lauter Leichen und Morden überseht ihr alle miteinander das Nächstliegende: ein kleines Mädchen, das von Gott und der Welt verlassen ist.«
    Ich starrte Cornelia verständnislos an.
    »Ein kleines... Nelly, wen meinst du?«
    Ihre Augen blitzten triumphierend.
    »Da haben wir’s! Lauter neunmalkluge Mannsbilder, alle mit viel Hirn im Schädel, aber ohne Liebe im Herzen. Vera Möhnert hatte doch eine kleine Tochter, nicht? Und wer kümmert sich um das Kind, das plötzlich weder Vater noch Mutter hat?«
    Ich senkte schuldbewußt den Kopf. Wie eine Vision sah ich vor mir den großen Garten in Obermenzing, die Jasminbüsche und den Swimming-pool, und das kleine Mädchen, das einen weißen Gummischwan im Wasser schwimmen ließ. Das war an einem Freitag nachmittag gewesen. Die tote Vera Möhnert hatte ich am Samstagmorgen entdeckt. Das Haus war leer gewesen, nirgends ein kleines Mädchen...
    »Nelly, wo ist das Kind?«
    Sie schnitt mir ein Gesicht.
    »Ätsch, jetzt interessiert es dich auf einmal! Ich sag’s nicht.«
    »Nelly, Liebling, bitte, es kann von größter Wichtigkeit sein!«
    Sie nickte süffisant.
    »Auf einmal. Bis jetzt hat sie dich nicht interessiert. Laß wenigstens das Kind in Ruhe, hörst du?«
    »Wo ist sie?«
    Sie zuckte die Achseln.
    »Weiß ich nicht. Aber sie wird sich kaum in Luft aufgelöst haben. Inspektor Wendlandt wird sie, wie es in solchen Fällen üblich ist, in ein Kinderheim gebracht haben. Soll ich ihn anrufen?«
    »Hättest du das auch so getan?«
    »Natürlich. Ich muß der Kleinen doch den Bären bringen und mich ein wenig um sie kümmern.«
    Ich gab ihr den Hörer.
    »Ruf Wendlandt an und frage ihn. Wenn er nach mir fragt, sagst du, ich sei schon wieder fort.«
    Cornelia rief tatsächlich den Inspektor an, und ich sah, daß sie etwas aufschrieb.
    »Danke«, sagte sie. »Ich werde mich der Kleinen annehmen.«
    Sie hängte ein und gab mir den Zettel.
    »Wendlandt sagte, man habe das Kind aus der Schule geholt und zu der Zugehfrau gebracht, die selber zwei Kinder hat. Hier ist die Adresse. Fahren wir zusammen hin?«
    »So schnell wie möglich.«

    Unterwegs dachte ich angestrengt über meinen Besuch bei Vera Möhnert nach. Sie hatte mir etwas über das Kind gesagt. Was war es nur...
    Ich wußte es wieder: Vera Möhnert hatte nur das Nutzungsrecht, laut Walther Möhnerts Testament, und Erben waren das kleine Mädchen und Freddy zu gleichen Teilen.
    Ich hielt vor einem großen Mietshaus mit vierzig Klingeln neben der Glastür. Ganz unten stand: Alois Pachtmann, Hausmeister.
    Ich klingelte. Eine Frau zwischen dreißig und vierzig öffnete mit dem mißtrauischen Blick aller Hausmeisterinnen.
    »Ich komme gerade von der Polizei«, schwindelte ich. »Man hat uns dort gesagt, daß Sie die kleine Möhnert in Obhut genommen haben.«
    Das Mißtrauen wuchs zusehends.
    »Und?« fragte sie nur. Ihr Gesicht war lang und schmal mit scharfen Falten. Ein Typ, der auf Barrikaden steigen und mit Pflastersteinen werfen kann.
    Cornelia deutete auf ihr riesiges Paket.
    »Wir möchten der Kleinen was bringen, Frau Pachtmann. Dürfen wir... ?«
    Die hagere Person gab die Tür nicht frei. Ihre schwarzen Augen musterten uns feindselig.
    »An Dreck dürfen’s«, sagte sie ruhig. »Das Kind ist bei mir gut aufgehoben, die Polizei wird sich schon melden, wenn sich da etwas ändern soll.«
    Sie wollte die Tür zuschlagen, aber Cornelia hielt das Paket dazwischen.
    »Bitte, Frau Pachtmann, geben Sie das der Kleinen.«
    Zögernd griffen zwei verarbeitete, geizige Hände nach dem Paket.
    »Warum kümmern’s Ihnen denn um die

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