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Das einsame Herz

Das einsame Herz

Titel: Das einsame Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Wochen.«
    »Ich habe ja Geduld«, flüsterte Otto Heinrich an ihrem Ohr und nahm die Pelzkappe von ihren Haaren, küßte die schweren, blonden Flechten und drückte dann den schmalen Kopf an seine Brust. »Du sollst nicht klagen über mich. Du sollst mich nur noch lieben …«
    »Ich hab' dich lieb«, flüsterte sie und schloß die Augen. »So lieb …« Und plötzlich blickte sie zu ihm empor und flehte: »Und zu dem Vater sei nicht böse … bitte, bitte … auch, wenn er schimpft. Er meint es nicht so. Er ist so einsam und zerrissen, so verbittert und verlassen … wie du.«
    Der Jüngling nickte. »Hab' keine Angst. Und bitte, geh jetzt. Ich komme nach … man könnte uns belauschen und verraten …«
    Noch einmal küßten sie sich, dann eilte Trudel aus der Laube, huschte den Weg hinab und nickte im Laufen einmal kurz zurück. Der Jüngling sah ihr nach, bis ihr wehender Mantel und die flatternden, blonden Haare sich in dem Vorhang rieselnder Flocken auflösten und der lautlose Fall des Schnees ihre Spuren verwischte.
    Dann trat er aus der Laube, preßte den Kragen seines Rockes fest an den Nacken und eilte mit langen Schritten dem dunklen Hause zu.
    Als Otto Heinrich am nächsten Morgen in seiner kleinen Kammer erwachte und ein langfadiger Dezemberregen gegen die klappernden Schindeln des Daches und das schmale, halbblinde Lukenfenster perlte, fand er das Bett Willi Bendlers schon verlassen, die Decken säuberlich gefaltet und hergerichtet. Die mit neuem Wasser gefüllte Waschschüssel war in die Nähe von Kummers Liegestatt auf einem hölzernen Hocker gerückt, das Rollhandtuch war von der Stange auf dem engen Flur abgenommen und gefaltet neben das Seifenschälchen gelegt, und sogar die kleine Vase mit ein paar bunten Strohblumen, die Bendler einmal von der Jungfer Trudel aus den unteren Räumen zugesteckt erhielt, stand auf dem Hocker – wie ein Gruß!
    Mit einem unerklärlichen Gefühl der Angst erhob sich Kummer und ging zum Bette Bendlers, auf dessen Kopfkeil er jetzt ein zusammengefaltetes Papier sah.
    Ein rasendes Herzklopfen erstickte plötzlich den Atem des Provisors. Ein leeres Bett, ein Brief auf der Decke und draußen ein grauer, regnender Winterhimmel, der den Schnee von gestern erweichte, zusammenschmelzen ließ zu einer laufenden, breiigen Masse, zu Schlamm und kaltem, grauem Morast … mein Gott … Willi Bendler … Bendler … das ist doch nicht möglich …!
    Otto Heinrichs Hand griff nach dem Brief, dann zuckte er zurück und ließ das Papier liegen. Die immer schwerer werdende Angst schnürte die Kehle zu.
    »Mein Gott … das kann doch nicht sein!« stammelte Kummer und starrte auf den weißen Brief. Zögernd trat er wieder auf das Bett zu, nahm mit einem tiefen Atemzug das Papier von der Decke, zögerte wieder und entfaltete es dann entschlossen mit schnellen, überhastigen Griffen.
    »Mein lieber Otto Heinrich«, las er, dann verschwammen die Buchstaben einen Augenblick vor seinen Augen, er setzte sich auf Bendlers Bett und starrte vor sich auf den Bretterboden. Nach einer langen Pause erst nahm er den Brief wieder auf und begann ihn langsam zu lesen.
    »Das Leben ist wie der Stall des Augias, für den sich kein Herakles findet«, stand da in Bendlers klotziger Schrift. »Ich aber bin kein Mensch, der in der Stille sitzt und zusieht, wie der Kot sich häuft und höher, immer höher steigt, bis er den Mund erreicht und wir an unserem eigenen Dreck ersticken. Ich muß hinaus, ich bin ein Raubtier, das die Freiheit kennt und in den Käfigen der allgemeinen Sitte zur Flöte bürgerlicher Angstmoral tanzen und feixen muß. Ich liebe Menschentum, wenn es sich dehnt und seine Kräfte kennt und segenbringend nutzt. Ich liebe dieses Leben, wenn es den Zweck ergreift, den Menschen zu veredeln und zu heben. Ich liebe alles, was mich Mensch sein läßt in einer Freiheit, wo die Kräfte spielen und die Wahrheit mehr ist als ein Anstandswort des bürgerlichen Katechismus. Und darum gehe ich! Nenn' mich jetzt untreu, unmoralisch, einen Schuft – einst wirst Du sehen, daß es mehr gibt als die Pflicht von Mann zu Mann – die Pflicht zum Leben und die Verantwortung vor unserem Menschentum. – Verzeih, wenn ich so gehe. Ich wollte Dich nicht sprechen, weil ich dann nicht hätte gehen können. Nun bist Du einsam – ist die Einsamkeit zu groß, so komm zu mir. Ich bin Dir stets ein Freund. Du findest mich überall, wo sich das Neue Bahn bricht. Leb wohl, ich weiß, daß Du einst kommst. Wir dürfen

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