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Das einsame Herz

Das einsame Herz

Titel: Das einsame Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Blicken Sie nur einmal in die großen, sehnsuchtsoffenen Kinderaugen, wenn sie die bunten Sachen in den Läden sehen und an das Christfest denken mit dem Lichterbaum. Da sehen Sie Ihr Urteil in den Augen dieser Kinder, das Urteil über Ihre Einsamkeit, in der Sie sich gefallen wie ein eitler Fratz! Ja, gehen Sie zurück zu Ihrer Kindheit, lernen Sie noch einmal, kleinste Dinge wie ein Wunder zu betrachten. Glauben Sie denn nicht, daß man den Menschen heilen kann, indem man ihn zurückführt in das Märchenland der Kinder?«
    Der Jüngling sah zu Boden.
    »Sie sprechen hart«, murmelte er. »Hart … aber fern … so fern …«
    »Sie stehen fern, weil Sie in Träumen gaukeln und die Umwelt nicht erkennen! Dort draußen schneit es – waren Sie schon einmal auf der Rodelbahn?«
    »Als Kind.«
    »Nein, hier? Sie schütteln Ihren Kopf und können mir nicht sagen, warum Sie es verpaßten. Sie kennen doch die Eisbahn unten auf dem See?«
    Der Jüngling schüttelte den Kopf und wandte sich ein wenig ab.
    »Nicht? Nach der Schanze wagte ich Sie nicht zu fragen. Warum auch Rodelbahn, Eislauf und Schanze? Warum auch Musik, lachende Gesichter, Frohsinn und Lebensfreude?! Man ist ja einsam, ein Philosoph des Weltschmerzes, der Verneinung, des verkannten Ichs! Warum denn Frohsinn suchen, wo man weiß, daß alles nur ein Schein ist und das Leben im Grunde schlecht und faul und sinnlos … Sie Narr! Sie Narr, Otto Heinrich Kummer … Sie … Sie … Mörder an der eigenen Seele …«
    »Schweigen Sie!« schrie da der Jüngling auf und preßte die Handflächen an seine Ohren, während ein Zittern durch seinen schmächtigen Körper flog. »Warum quälen Sie mich? Sie sind so grausam, so kalt, so erschütternd wie der Tod …«
    »Und es ist nur die Wahrheit …«, sagte das Mädchen leise.
    Da blickte Otto Heinrich auf und sah in ihren Augen eine Bitte und eine jagende Angst, und er lächelte, nickte, strich ihr über die Wangen und zog sie nahe zu sich heran.
    »Trudel«, sagte er sanft, während sie in seinen Händen bebte. »Trudel … gib mir einen Kuß …«
    Da stellte sie sich auf die Zehenspitzen, spitzte die Lippen, schloß mit einem Lächeln in den Augen, duldete es, daß sie sein Arm umfing, und empfing den Druck seiner eisigen Lippen mit dem Schauer, den das erste Erlebnis durch den wartenden Körper jagt.
    Als sie sich aus seinen Armen löste, war ihr Herz schwer von Jubel, Glück und dem Bewußtsein einer großen, schweren Pflicht.
    »Was soll nun werden?« fragte Otto Heinrich leise und ging zur Tür. Er starrte in die vom Himmel herabtanzenden Flocken, streckte die Hand hinaus und fing einige Kristalle auf. »Sie schmelzen nicht in meiner Hand«, lächelte er und zeigte Trudel seine frostigen Finger. »Es ist so kalt in dieser Welt …«
    »Ich will dir eine Sonne sein«, sagte das Mädchen schlicht, und das hohe Wort verlor alles Pathos und wurde ein Schwur, der sie verband. »Du sollst im Frühling wieder Blumen blühen sehen. Liebster … diese Welt ist schön, wenn man ein Auge hat, sie ganz zu sehen …«
    Sie küßten sich. Es waren scheue Küsse, kindlich noch und huschend, doch süßer, als kein Kuß mehr sein kann.
    »Wir müssen ins Haus«, sagte der Jüngling nach einer Weile gemeinsamen stummen Sinnens, in der ein jeder seine Wünsche baute zu einem stolzen Schloß, in dem sich herrlich leben ließ. »Die Glocke muß schon elf geschlagen haben. Dein Vater könnte dich vermissen.«
    »Er schläft schon. Du aber frierst und mußt ins Warme. Daß ich daran nicht dachte. So ohne Mantel in der Kälte … Liebster, Liebster …« Sie drohte lächelnd. »Ich muß dich nächstens überwachen, wenn du ausgehst.«
    »Tue es. Ich will auf deine Worte hören, wie ein Kind.« Und leise fügte er hinzu: »Du bist ein herrliches, ein schönes Mädchen …«
    Wieder errötete sie leicht und wandte sich ein wenig zur Seite. Verlegen schabte sie ein wenig hereingewehten Schnee mit der Schuhspitze von der Schwelle in den Garten.
    »Wir müssen, bis der Vater seine Ansicht ändert, fremd vor den Augen aller Leute sein, fremd wie bisher«, sagte sie nach einer Weile. »Nur abends und in seltenen Stunden auch am Tage, irgendwo, wo wir uns finden, gehören wir nur uns und unserer Zukunft. Wir sind ja noch so jung …«
    »So jung und doch vom Leben so geschlagen …«
    »Liebster, sprich nicht wieder so. Es soll ja alles licht und frei, so schön und glücklich um dich werden. Habe doch Geduld, vielleicht nur noch wenige

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