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Das einsame Herz

Das einsame Herz

Titel: Das einsame Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sie brauchten das verdammte Schießpulver. Letzten Dienstag, vor beinahe einer Woche, beim Übergang über die Elster war Hans, der den Pulvervorrat im Tornister trug, auf einem glatten Stein gerutscht und ins Wasser gefallen. So hatten sie die ganze Reserve bis auf die Füllung von zwei Pulverhörnern verloren.
    Mit zwei Pulverhörnern nach Böhmen?!
    Ausgeschlossen … Auch die anderen brauchten Nachschub.
    Doch soweit würde es nicht kommen.
    Der Militärtransport für das Mineur-Detâchement in Frankenberg war seit einem Tag unterwegs. Er würde um Mittag in der Stadt eintreffen. Bendler hatte es aus einem Dragoner-Unteroffizier herausgekitzelt, den er an einer Wegschenke bei Weida getroffen und betrunken gemacht hatte.
    Um Mittag. Das hieß, daß sie kurz vor sieben hier durchkommen mußten. Also bei Morgengrauen. Ein guter Zeitpunkt. Dann waren Kutscher und Begleiter von der Nacht schon so zermürbt, daß sie nicht bemerken würden, was auf sie wartete. Und wenn sie es merkten, war's ohnehin zu spät …
    Noch einmal überprüfte Willi Bendler den Sitz des Seils. Er hatte es am schenkeldicken Ast der Eiche verknotet, die am gegenüberliegenden Hang hochwuchs.
    Nun tarnte er es mit abgeschnittenen Zweigen.
    Hans, der ältere der beiden Studenten-Vettern aus Gera, kletterte noch einmal rasch wie ein Affe den Baum hoch, schwang sich wieder auf den Weg, lachte.
    »Na, denen rasieren wie die Hüte ab, was, Willi?«
    Bendler nickte. Den Jungen mochte er. Als Student der beste auf dem Paukboden, hatten sie gesagt. Außerdem gehörte er der Jahn-Bewegung an, war gewandt wie ein Panther, ließ sich nie Angst anmerken und blieb immer guter Laune, selbst wenn es noch so übel aussah.
    Der Weg war nun nichts als ein graues Band.
    Der Wald verhielt noch im Dunkel … Weiter oben aber, wo die Kurve auslief und das Gefälle begann und sich Felder zogen und Büsche, hatte der Himmel sich aufgehellt. Schon waren die ersten Vogelrufe zu vernehmen. Und der Mond hing als blasse Sichel in einem grünen Himmel.
    Sie würden kommen. Bald sogar. – Falls seine Rechnung aufging …
    Bendler bückte sich, scharrte einen Armvoll Laub zusammen und streute ihn über das Seil am Boden.
    Dann verkrochen sie sich wieder in der Deckung, kauerten hinter Stämmen und Büschen. Jetzt sprach keiner mehr, jeder wußte, was zu tun war.
    Bendler zog die Pistole. Beinahe zärtlich streichelte er den Knauf und die vertraute Rundung des Griffs. Die Kugeln steckten im Lauf. Er spannte die beiden Hähne, prüfte die Zündhütchen. Auch die beiden Gera-Vettern machten die Waffen schußbereit. Weiter oben, in der Schonung, kauerte der ›Frosch‹ hinter einem Haufen Bruchholz. Er hatte das Grenadier-Gewehr. »Nur im Notfall schießen!« hatte Bendler ihm eingeschärft.
    Sieben Uhr zehn. Nun konnte er die Ziffern seiner Uhr schon ganz deutlich lesen. Die Zeiger schienen festgeschraubt.
    Irgendwo schrie eine Krähe. Und nun wieder ein Vogelruf. Es klang wie eine Warnung.
    Der milchige Schleier über den Feldern hatte sich aufgelöst und einem klaren Blau Platz gemacht.
    Und dann hörten sie es: das gleichmäßige Schlagen von Hufen, Räderpoltern, das metallische Klacken, das entsteht, wenn stählerne Radbänder auf harte Steine treffen.
    »Sie kommen.«
    Hans war es, der es flüsterte, und Bendler hob die Hand. Eine unnötige Geste. Jeder wußte, was er zu tun hatte.
    Hans Hilpert war der einzige, der sich aus der Kauerstellung hochschob. Eng an einen Stamm gepreßt, hielt er das Seilende. Sobald es soweit war, würde er das schwere Hanfseil blitzschnell anspannen und um das Aststück schlingen. In angespanntem Zustand mußte es Kutscher wie Reiter abwerfen. Sie hatten es zuvor genau ausgemessen.
    Bendler hielt den Atem an.
    Das Hufeklappern änderte sich, wurde schneller. Das, was er erwartet hatte, war eingetreten: der Kutscher nützte den leicht abfallenden Hang. Statt zu bremsen, versetzte er die Pferde in einen raschen Trab. – Na, um so besser!
    Zwei Lichter.
    Wegen des Waldesdunkels waren die Laternen noch nicht gelöscht.
    Bendler stand auf: ein Schatten unter anderen Waldesschatten.
    Noch vierzig, dreißig, zwanzig Meter … Und nun sah er sie, sah alles ganz genau, jedes Detail: das Blinken an den Tschakos der beiden Reiter, die die unförmige Militärkarosse begleiteten, die weißen Dragoner-Aufschläge an den Uniformen – den Kutscher. Auch er ein Soldat … Hochaufgerichtet saß er, während die Dragoner, erschöpft vom Nachtritt, wie

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