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Das einzig glueckliche Ende einer Liebesgeschichte ist ein Unfall

Das einzig glueckliche Ende einer Liebesgeschichte ist ein Unfall

Titel: Das einzig glueckliche Ende einer Liebesgeschichte ist ein Unfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joao Paulo Cuenca
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verschwindet, was ich erst kurz darauf wahrnehme, als ein Kind mit einer Mütze auf dem Kopf mich am Hosenbund zupft und mir ein elektronisches Spielzeug entgegenstreckt.
    Es will mir etwas zeigen, das auf dem kleinen Bildschirm blinkt, und ich will, dass es wieder in den Uterus verschwindet, aus dem es gekommen ist. Wo ist Iulana? Wie jemand, der am frühen Morgen vor laufendem Fernseher auf der Couch aufwacht, schrecke ich hoch und beginne, mit den Augen zwischen den beleuchteten Regalen des Kaufhauses nach ihr zu suchen. Immerhin ein Gedanke beruhigt mich: Es wird nicht schwer sein, Iulana Romiszowska zu finden, auch nicht in einer Menschenmenge, denn sie ist mindestens zehn Zentimeter größer als alle anderen.
    Aber es gelingt mir nicht. Nach fünfzehn Minuten überlege ich, ob ich den Namen Iulana Romiszowska über die Lautsprecher ausrufen lassen soll. Es würde nicht gehen: Die Verkäuferin würde den Namen nicht aussprechen können, selbst wenn ich ihr die Laute auf ein Papier schreiben würde. Und Iulana würde ohnehin nichts verstehen. Wir sind isoliert voneinander und ich überlege mir etwas anderes. Vielleicht hat Iulana einfach aufgehört, bei mir sein zu wollen.
    Falls dies so wäre, es wäre unmöglich, sie wiederzufinden in dieser unendlichen Stadt. Ich habe keine Adresse von ihr, und Iulana Romiszowska arbeitet nicht mehr in der Abracadabar, dem Club im vierten Stock eines Gebäudes aus den 1970er Jahren an einem der Eingänge von Kabukichō, wo ich sie kennengelernt habe – seitdem wir begonnen haben, uns regelmäßig zu treffen, zahle ich ihr doppelt so viel wie ihr Gehalt dort, damit sie nicht mehr arbeitet und die Nächte mit mir verbringt.
    Bevor ich also das U-Boot aktiviere, was mich wieder zum Umgang mit Herrn Languste Okuda zwingen würde, könnte ich sie in den Clubs suchen, von denen es Tausende im Umkreis weniger Straßenzüge gibt – manchmal Dutzende im selben Stockwerk heruntergekommener Häuser oder in den Tiefen von Einkaufspassagen in düsteren Ecken des Stadtteils. Außerdem könnte es sein, dass sie gar nicht mehr als Bedienung in einer Escort-Bar arbeitet, sondern in einem Wendy’s, bei Starbucks, in einem Irish Pub oder sonst wo.
    Oder auch ihren Körper vermietet, was sie mir geschworen hat, niemals getan zu haben, seit sie in Japan ist. Sie könnte dies mit sofortigem Erfolg in einem der Nachtclubs von Ginza tun, wo Frauen aus ganz Osteuropa angeboten werden.
    Oder irgendwas dazwischen: 1. in einer Bar mit verspiegeltem Boden ohne Höschen bedienen, 2. als Lehrerin verkleidet Herren in Strampelanzügen die Brust geben, 3. sich mit einem engen Lederdress mit einem Schlitz zwischen den Beinen bekleiden und sich auf ihre Kunden entleeren (wobei sie in diesem Fall nur noch Reis und Fisch essen dürfte), 4. in einen Swingerclub gehen und sich an Paare vermieten, 5. ihre Zeit in einer Vitrine feilbieten und sich halb nackt über die Sprechanlage mit Männern unterhalten und auf diese Weise Japanisch lernen, 6. sich auf Inversion spezialisieren und Dildos und die eigene Zunge in junge Männer hineinstecken, die in einem anatomisch zu diesem Zweck angefertigten Metallstuhl hängen.
    Und schließlich könnte sie zurückgehen in ihre Geburtsstadt oder in eines der Länder Europas, in denen sie schon einmal gelebt hat und ihre früheren Liebschaften wieder aufnehmen, in Constanţa, der Hafenstadt am Schwarzen Meer, oder in Bukarest, wo sie Kunstgeschichte studierte oder in Paris oder Berlin, wo sie gewohnt hat, bevor sie nach Tokio kam – und in jeder dieser Stadt Männer wiedersehen, die noch die Berührung ihrer Finger und ihrer Zunge im Kopf haben.

23
    Als ich an einer der Ecken von Akihabara stehe, erscheint Herr Languste Okuda und fragt unter dem Neongewirr, in dem ein paar dicke Mädchen in Spitzenröckchen, weißen Schürzen, Sneakersocken und Haarreifen Flyer von „Maid Cafés“ an jugendliche Freaks verteilen, die auf der Straße mit Elektroschrott handeln, nach Iulana.
    Unbeachtet von der Menge erinnert mich Herr Okuda-Crustacea an einen dieser Typen, die sich in Themenparks als Plüschtiere verkleiden. Er taucht aus einem Lüftungsrohr auf und beginnt seinen Singsang.
    Frage dich Shunsuke, du Dummkopf
    Was sagten sie wohl auf Rumänisch
    Der ersten neolateinischen Sprache
    Entstanden an den Ufern der Donau
    Nachdem dort die Römer ihr Latein
    Vergaßen, das sich mit Dakisch vermischte
    Dem slawischen Wortschatz und balkanischen Verben
    Nachdem Papa diese sinnlosen

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