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Das einzig glueckliche Ende einer Liebesgeschichte ist ein Unfall

Das einzig glueckliche Ende einer Liebesgeschichte ist ein Unfall

Titel: Das einzig glueckliche Ende einer Liebesgeschichte ist ein Unfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joao Paulo Cuenca
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kein ausdrucksloses Spiegelbild mit Puppenaugen und keine Lagerhalle mit weißen Bildern mehr, sondern eine fast fremde, halb nackte Frau, der ich, ohne zu zögern, mein Leben und meinen Tod opfern würde.
    Während die Ausländerin abwäscht, rieche ich an meinen Fingern und spüre den süßsauren Duft ihres Körpers. Ich verriegele alle Türen, werfe die Schlüssel zum Fenster hinaus und ziehe die Vorhänge zu – will die Welt in einen dunklen Schimmer verwandeln, um ihr zu entfliehen und Iulana Romiszowska mit mir zu nehmen. Die einzig mögliche Flucht ist: den Raum nicht verlassen.

21
    Am Abend nach diesem Morgen werden wir nach dem Kino noch durch die Straßen von Roppongi spazieren. Da Iulana Romiszowska größer ist als ich, ist es unbequem, Hand in Hand zu gehen: Meine Hand wird immer tiefer hängen als Iulanas kräftige Finger, was mich zwingt, meinen Unterarm leicht anzuheben, um die Handfläche dieser Frau zu erreichen. Nach einigen Minuten wird mir diese Haltung unbequem, und ich ziehe es vor, ihre Hüfte mit meinem Arm zu umfassen und stets darauf zu achten, auf der höheren Seite des Bordsteins zu gehen.
    Iulana Romiszowska, die diese verzwickten Manöver schlicht ignoriert, staunt über eine exotische Neontafel im sechsten Stock eines Gebäudes.
    „Was ist das denn, Shun?“
    „Ein ägyptisches Café.“
    „Ich will in ein ägyptisches Café gehen. Lädst du mich ein?“
    Ich schaue auf die Uhr und sehe, dass es schon Morgen ist. Ich nicke mit dem Kopf – wahrscheinlich werde ich nie wieder am nächsten Tag arbeiten. Die Tür des Aufzugs öffnet sich zu einem dunklen Vorraum, in dem ein dicker Pförtner mit einem Kokoshut auf dem Kopf uns begrüßt und eine gepolsterte Tür aufhält. Das Café ist eine Landschaft aus niedrigen Sofas und auf dem Boden verstreuten Kissen. An den Wänden hängen von Neonröhren eingerahmte Spiegel unter in die Decke geritzten Arabesken. Die Jukebox in einer Ecke spielt J-Pop, so laut es geht.
    Betrunkene Leute überall sagen Dinge, die nie ein Mensch je erzählt hat.
    Im Rauch der Wasserpfeifen bestellen wir grünen Tee und Erdbeertabak. Iulana saugt die Luft aus dem Schlauch und stößt Rauchschwaden aus ihren aufgeblähten Nüstern wie eine Professionelle. Ich bin stolz auf die Erscheinung dieser Frau, 1.: als gehörten mir nicht nur ihr Körper, ihre Frisur, ihre Gesichtszüge und ihre Kleidung, sondern wären sogar ein Teil von mir, 2.: als wären alle Iulana Romiszowska geltenden Blicke auf mich gerichtet, 3.: als hätten sich die kleinen Höschen der Polin in jeden verborgenen Winkel meines Fleisches verkrochen, ihre Gummibündchen sich in meine Haut eingegraben und schließlich 4.: als gehörten all ihre Erinnerungen von Rechts wegen mir.
    Der Gedanke, dass es immer neue Erinnerungen dieser Frau geben würde, die mir gehörten, lässt mich erschauern, als Iulana mir das Mundstück der Wasserpfeife reicht. Sie ist ein Quell der Erfahrung von außerhalb dieser Insel und mit unzähligen Ausländern. Einer davon ist vielleicht der Westler in der abgewetzten Lederjacke, der nun auf das Sofa zugeht, auf dem wir sitzen, und Iulana Romiszowskas Namen sagt in einer perfekten Aussprache, die mir nie gelingen wird.
    „Ja, bitte?“ Sie vermeidet es aufzuschauen.
    „Erinnerst du dich nicht an mich?“
    „Wer bist du?“
    „Erinnerst du dich nicht mehr?“
    „Ich kenne dich nicht.“
    Der Mann in der Lederjacke schaut Iulana Romiszowska schweigend an, trinkt sein Whiskyglas, das er in der linken Hand hält, aus und nach – den Messungen des U-Boots zufolge – fünfunddreißig Sekunden stellt er das leere Glas auf den Tisch, dreht sich um und verschwindet.
    „Wer ist dieser Mann?“
    „Ich weiß nicht.“
    „Du weißt es.“
    „Ich weiß es nicht, Shun!“
    „Du weißt, wer er ist. Ich weiß, dass du es weißt, und du weißt, dass du mich anlügst. Warum lügst du mich an?“
    „Du bist verrückt.“
    „Du bist eine Hure.“
    Peng! Iulana Romiszowska verdreht mein Gesicht mit einer Ohrfeige, knallt die Wasserpfeife auf den Boden und schüttet den heißen Tee über mich. Kurz darauf werden die Passanten auf der Straße, wo Iulana Romiszowska noch kurz zuvor „Was ist das, Shun?“ gefragt und auf die exotische Leuchtreklame im sechsten Stock gedeutet hatte, krampfhaft so tun, als sähen sie den Mann nicht, der im nassen Anzug, die Knie einer Gaijin umklammernd, über das Pflaster geschleift wird und um Vergebung bettelt und sagt, dass er sie liebt.

22
    Seit

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